Heft 
(1957) 1
Seite
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Anfangsbuchstaben (Initialen) der Kapitel, welche noch heute in Blau und Rot leuchten. Der Drucker hatte für diese Initialen einen größeren Raum freigelassen und in diesen Raum den betreffenden Buchstaben in kleiner Schrift gesetzt. Die eigentlichen Anfangsbuchstaben wurden dann mit Handstempeln hineingesetzt, zuweilen stehn sie auf dem Kopf, so mecha­nisch hat die zweite Hand gearbeitet.

Die Bibel ist reich illustriert mit Holzschnitten, welche grün, gelb und rot handkoloriert sind. Selbst wenn man nicht wüßte, in welchem Jahr unsere Bibel gedruckt ist, würde man aus den spätgotischenEselsrücken und Kielbögen der Architekturhintergründe mit Sicherheit die spätgotische Zeit erkennen. Besonderes Interesse beansprucht ein Bild im Buch Esra. Der Perserkönig gibt Esra die Erlaubnis, mit anderen jüdischen Deportierten aus Babylon nach Jerusalem zurückzukehren. Naiverweise steht der König vor einem Kuppelbau, der vom türkischen Halbmond gekrönt ist. Esra und seine Gefährten, die ersten Zionisten, knien vor einem Hintergrund, in welchem der Kundige sofort den Kölner Dom mit seinen noch stumpfen Türmen und dem charakteristischen Kran erkennt, mit welchem die Bau­steine hochgezogen wurden. Bekanntlich wurden die spitzen Helme des Kölner Doms erst 1880 fertiggestellt. Neben dem Dom sieht man Sankt Gereon, die eigenartige zehneckige Begräbniskirche der kölnischen Römer­zeit. Im Psalter fällt ein Bild auf, das den König David zeigt, der mit seiner Harfe am Niederrhein Psalmen singt, im Hintergrund drehn sich holländische Windmühlen. In unserer Bibel fehlen die Illustrationen in der Offenbarung Johannis, welche in der ersten holländischen Ausgabe ent­halten sind. Diese zeigt hier Bilder, auf welchen Päpste, Kardinäle, Bischöfe in die Hölle gestürzt und vom Teufel gepeinigt werden. Diese Bilder wurden als zu revolutionär in unserer Ausgabe fortgelassen.

Sprachgeschichtlich ist diese Bibelübersetzung von großem Wert. Das Nie­derdeutsche reichte damals viel weiter südlich als heute, von Bayern und Böhmen her ist die Überfremdung des Niederdeutschen durch das Hoch­deutsche erfolgt. Leider geht heute das Niederdeutsche immer mehr ver­loren.

Die Kyritzer Ratsbibel hat nun aber noch ein besonderes heimatgeschicht­liches Interesse. Auf der Innenseite des vorderen Buchdeckels finden sich die drei ältesten Aufzeichnungen unserer Stadtchronik, in lateinischer Sprache. Sie lauten in der Übersetzung:

Im Jahre 1517 am Freitag nach Allerheiligen (1. Nov.) stiftete Claus Maßen dieses Buch der Kirche der Heiligen Jungfrau und des Heiligen Nikolaus. Das sind die Titelheiligen der Kyritzer Stadtkirche. Da die heutigen Rat­hausakten infolge der wiederholten Stadtbrände erst 1701 beginnen, sind wir auf Vermutungen angewiesen. Dieser Claus Maßen, der seine Bibel 1517 der Kirche schenkte, wird wohl Erbrichter in Kyritz gewesen sein, in der St. Marienkirche steht der Rensissancegrabstein des Erbrichters Jochen

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