Issue 
(1957) 12
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In dem Havelbergischen Orakel finden wir folgende Beschreibung des 1698 errichteten Rathauses: Es besteht aus zwei Etagen. In der unteren ist links die Gerichtsstube mit einer Kammer, rechts die Accisestube, eben­falls mit einer Kammer. Die Einrichtung der Gerichtsstube sah so aus: ein eiserner Ofen, I großer runder Tisch mit einer grünen Decke, 7 lederne Stühle für die Magistratspersonen; ferner ein kleiner Tisch mit einer grü­nen Decke nebst 1 ledernen Stuhl für den Secretario, 1 länglicher Tisch, die Akten darauf zu legen, 1 großes Spind von Kiefernholz zur Verwah­rung der Akten; vor den Fenstern sind Gardinen von grünem Rasch (Kammgarngewebe nach der Stadt Arras genannt), 1 lange Bank für die Stadtverordneten und Gilden, das Porträt Friderici Regis Borussorum (König Friedrich I.). In der Kammer Aktenspinden und die messingnen Probegewichte; in einer alten Lade waren 30 Flinten, 6 Stück Kurzgewehr, 19 Degen, 2 Trommeln und 2 Fahnen.

Auf der linken Hofseite, also nach hinten heraus, lag eine Stube als Woh­nung des Kellerwirts, dessen Keller den Raum unter dem ganzen Haus einnahm; hier unten war auch die Waage aufgestellt.

Die oberen Räume wurden um 1800 von der hier in Garnison liegenden % Eskadron des Königl. Leib-Carabinier-Regiments zu Kammern be­nutzt. Vorher hatte das Militär nur 2 Stuben rechts. Links dagegen wurde in einer Kammer des Rathauses Brennholz verwahrt. Eine Stube diente alsBürger-Gehorsam, und auf der dritten wurden die Inquisiten (An­geschuldigten) peinlich verhört; sie hieß daher die Reck-Kammer. Auf die­ser sind vorhanden: 1 spanischer Mantel und eine sogenannte Fiedel mit eiserner Feder und Glocke.

Der jüngste Ratsherr mußte früher den Schlüssel zur Ratsstube aufbe­wahren. Sooft der Rat zusammengerufen wurde, mußte er sich nach ge­schehenem Glockenschlag auf das Rathaus begeben und die Ratsstube öffnen. Er durfte aber nicht allein darin bleiben; auch mußte er sich zum Geldzählen gebrauchen lassen und den älteren Ratsmitgliedern helfen. Der Kellerwirt hatte das Bier und Salz zu verwalten und sobald eine Fuhre Bier ankam, den Verordneten des Rats hiervon sofort Anzeige zu machen. Er bekam wöchentlich 6 Schilling nebst freiem Holz und Licht, auch einen notdürftigen Trunk.

Im Jahre 1937 wurde das Rathaus umgebaut und ein Seitenflügel ange­baut, der den ehemaligen vom Haus umschlossenen Hof der Apotheke noch mit erfaßt hat. Die Rechtsverhältnisse lagen dort ganz merkwürdig. Die Apotheke war ursprünglich etwa 5 m kürzer. Ein früherer Apotheker hat dann die 5 m Verlängerung seines Grundstückes dazu gepachtet und auf

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