Heft 
(1957) 7
Seite
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Truppen unter General Gallas sollten die Schweden aus Brandenburg ver­treiben. Doch als 1636 in einer großen Schlacht bei Wittstock die Schweden siegten, mußten sich die kaiserlichen und brandenburgischen Truppen zu­rückziehen. Der Rückzug führte dann 1638 über Perleberg und Cumlosen in Richtung Lenzen. Die Schweden folgten. Da begann im Jahre 1638 für Perleberg die grausamste Zeit, die es je erlebt hat. Es rächten sich die Unterlassungssünden der Stadtväter. Perleberg war einst stark befestigt gewesen. Dicke Mauern, doppelte Wälle und Wassergräben, die vielen Wach türme und 50 Wykhäuser nebst festen Toren hatten einst wohl gegen Angriffe gut geschützt. Hinter ihrem Schutze hatte die Stadt zu Wohlstand gelangen können. Man hatte nun aber versäumt, die Befestigungsanlagen instandzuhalten. Die Tore waren nicht mehr in Ordnung. Der Reichtum aber der Stadt zog die plündernden Truppen besonders an.

So kam das Jahr 1638 heran. Die Gegend um Perleberg wurde der Schau­platz dauernder Scharmützel zwischen feindlichen Heerhaufen. An der Landwehr zwischen Düpow und Bollbrück war ein befestigtes Lager. Am 3. November zog der kaiserliche General von Buchheim in die Stadt ein. Er wollte die Stadt vor Plünderungen schützen. Es kam ihm aber nur dar­auf an, die Stadt von dem zu befreien, was nachfolgenden Truppen in die Hand fallen könnte. So hatte Perlebergs Notzeit begonnen. Frühzeitig setzte noch ein strenger Winter ein. Dauernde Einquartierungen folgten. Es entstand bald ein empfindlicher Mangel an Lebensmitteln; es war nicht genügend Brot vorhanden, auch Fleisch fehlte. Das Vieh war von feind­lichen Truppen bereits weggetrieben worden. Hunde und Katzen waren bald begehrte Leckerbissen. Als bei einem Schneesturm einige Dachziegel vom Kirchendache losgerissen wurden und wachhabende Soldaten beschä­digten, wurde die Kirche erbrochen und ausgeplündert. Am 14. November verließ Buchheim die Stadt und ließ zum Schutz einen Rittmeister mit 50 Reitern zurück, die aber bei weitem nicht ausreichten.

Da erschienen am 15. November zahlreiche Haufen von mehreren 100 Rei­tern am Wittenberger Tor und drangen gewaltsam in die Stadt ein. Mit ihnen kam das Grauen und die Verwüstung. Die Leiden der Stadt sind nicht zu beschreiben. Die Bevölkerung wurde aller Kleidung beraubt. Schändungen von Frauen, Mädchen und Kindern im Alter von 12 bis 13 Jahren geschahen überall in den Häusern und auf den Straßen. Nach der Reimchronik von Rektor Hopfner hat die Brücke, die von der Knaben­schule zur Uferstraße führt, den NamenJungfernbrücke daher, daß hier Jungfrauen, die von Soldaten verfolgt wurden, in die Stepenitz gesprungen sind. Alle Betten und Wertsachen aller Art wurden weggenommen. Es war

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