H. WIESE, PUTLITZ
Ein Gang durch die Stadt
Willst Du mit mir unsere nunmehr 1000jährige Stadt Putlitz besichtigen, dann wäre es gut, wenn Du mir vorher sagst, wer Du bist. Ich könnte dann für unseren Rundgang eine besondere Auswahl treffen, und nicht zuletzt würde dadurch auch unsere Unterhaltung bestimmt werden.
Bist Du ein alter, geborener Putlitzer, der nach langen Jahren der Abwesenheit endlich wieder einmal den Weg in die Heimat gefunden hat, dann bleibt es meiner Geschicklichkeit überlassen, Dich zunächst dahin zu führen, wo Erinnerungen an die Jugendzeit in Dir wachgerufen werden. Darüber hinaus werde ich Dir manches Neue zeigen, was in Deiner Heimatstadt besonders in den letzten Jahren entstanden ist, damit Du Dir auch ein Bild von seiner jüngsten Entwicklung machen kannst ... Im ersten Falle wirst Du mir sicher oft mehr erzählen können, als ich Dir zu sagen habe. Es bewahrheitet sich immer wieder, daß jene alten Putlitzer draußen in der Fremde die Erinnerung an die Heimatstadt in ihrer Seele so lebendig halten, daß sie im Augenblick des Wiedersehens in einer fast kindlichen Begeisterung den Quell ihrer Jugenderlebnisse sprudeln lassen. Ich weiß, daß ein noch so nüchternes Häuschen in einer stillen Gasse Deine ganze Liebe besitzt, weil Du dort geboren bist und die Jugendjahre verlebt hast. Die Bäume und Sträucher und all die verschwiegenen Winkel am Ufer der Stepenitz, die dem Fremden sicher wenig zu sagen haben, sprechen zu Dir eine Sprache, die nur der versteht, der in den heimatlichen Gefilden aufgewachsen ist.
Ja, lieber Putlitzer, Du wirst bei Deinem Besuch in unserer Stadt vieles so wiederfinden, wie Du es vor 30 oder gar 50 Jahren verlassen hast. Ein gütiges Geschick hat es so gewollt, daß Putlitz in den letzten Jahrzehnten vor großen Katastrophen, die alte, liebe Erinnerungsstätten zerstören, verschont geblieben ist. Die beiden Weltkriege haben ihre Brandfackel nicht in diesen Ort tragen können. Da stehen noch viele der alten Häuser in der „Groot Stroat, Lütt Stroat oder Soal Stroat“ genau so wie früher, und sicher wirst Du hier so manches Plätzchen wiederfinden, das an freud- und leidvolle Jugendstreiche erinnert. Freilich atmen die Straßen nicht mehr jene verträumte Kleinstadtromantik, wie vor dem ersten Weltkrieg; die vielen kleinen Bänke vor den Häusern, wo der Bürger nach getaner
195