Heft 
(1957) 8
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brach er im offenen Wagen am 23. Juli in aller Frühe von Potsdam aus auf. Der jeweils zuständige Amtmann mußte den Wagen begleiten und dem König Rede und Antwort stehen. Als nun die Wagenkolonne bei Barsikow auf das Territorium des Amts Neustadt kam, war die Reihe an Clausius. Der König fand auf Grund seiner ihm zusagenden Antworten Wohlgefallen an Clausius, stellte viele Fragen über die Besiedelung, aber auch über seine persönlichen Belange und behielt ihn mehrere Stunden lang bis Rathenow an seiner Seite. Clausius bildete sich auf diese Gunstbezeugung und hohe Auszeichnung nicht wenig ein und ließ das bei jeder Gelegenheit in groß­mäuliger Art seine Untertanen auch wissen.

Durch diese Bevorzugungen wuchs der despotische Sinn des Clausius im­mer mehr. In Bückwitz, wo er sich jetzt öfter aufhielt, lieft er ein Blockhaus als Arrestlokal errichten, worin die nach seiner Ansicht Ungehorsamen eingesperrt wurden und ihre Strafe verbüßen mußten. Ferner führte er für Männer denSpanischen Mantel ein, ein entehrendes Kleidungsstück, das aus Holzstäben bestand, am Halse eng war und nach unten weit auslief. Hiermit mußte der von Clausius Bestrafte die Dorfstraße auf- und ab­laufen, so oft es der Gerichtsherr befahl. Frauen dagegen bestrafte er mit demFiddeltragen. Die Fiddel oder Fiedel, ähnlich einem Geigendeckel, aus einem groben Brettstück gearbeitet, wurde der Verurteilten um den Hals und auf den Rücken gelegt. Und hiermit mußte sie gleichfalls zum allgemeinen Hohngelächter die Dorfstraße langsam entlangschreiten. Oft­mals sollen es junge Mädchen gewesen sein, die dem Allgewaltigen nicht zu Willen waren und ihm trotzten. Auf diese Art glaubte der arge Schür­zenjäger seine Beute leichter gefügig zu machen. Es kam soweit, daß sich niemand mehr auf der Straße sehen ließ, sobald die Ankunft des Gutsherrn im Dorfe bekannt wurde. Darüber, wieviele und welche flotte und schnip- pigeDeerns die Strafe zumFiddeltragen erhielten, ist leider nirgends mehr etwas aufzufinden.

Kaum gab es eine Handlung, ob sie nun allgemeiner Art war oder Fami­lienverhältnisse betraf, in die sich Clausius nicht einmischte. Atmeten die Bückwitzer bisher stets erleichtert auf, wenn ihr Gutsherr sich auf der Heimreise nach Neustadt befand und sie ungehindert und ohne Strafandro­hung davonkamen, so änderte und verschlimmerte sich die Gemeinsamkeit mit der vorfristigen Aufkündigung des Pachtvertrages für das Amtsvor­werk Neustadt im Jahre 1788. Clausius siedelte nunmehr nach Bückwitz über und trat als Gutsherr in die Rechte, wie sie das Amt Neustadt seit Jahrhunderten innehatte. Er erhielt die bisherigen 15 Amtsbauern als Untertanen, bezog von ihnen die Pacht- und Dienstgelder, bekam die obrigkeitliche Gewalt und ferner auch die Gerichtsbarkeit in seine Hände. Die Büdner waren nicht mitgerechnet, sie leisteten ohnedies schon Tage­löhnerdienste. Mit dem königlichen Fiscus hatte Clausius die Vereinbarung getroffen, für alle Zugeständnisse die jährliche Erbpachtsumme von

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