schreckte. In den eben erst von den feindlichen Divisionen geräumten Grenzlandes des gedemütigten und verstümmelten Preußen glaubten diese Spitzel und Agenten wie im eigenen Lande schalten und walten und sich alles herausnehmen zu dürfen.
Zudem wimmelte es an der Grenze von allerhand Gesindel, von Marodeuren, Deserteuren und Spitzbuben. Die Behörden, die ihren Dienst wieder aufgenommen, hatten sich noch nicht soweit durchsetzen können, daß in dem durch drei Kriegs- und Besatzungsjahre verwilderten Lande wieder die alte preußische Zucht und Ordnung zurückgekehrt war. Gesetzlosigkeit und Unsicherheit hatten Umfang und Formen angenommen, daß die französischen Behörden androhten, sie würden zur Säuberung mobile Kolonnen hinüberschicken. Um solcher Bloßstellung staatlicher Ohnmacht zu entgehen, hatte die preußische Regierung erst kürzlich eine eindringliche Aufforderung an Städte und Gemeinden erlassen, unnachsichtlich eine scharfe Polizei auszuüben.
Innerhalb des Weichbildes von Perleberg glaubte der Kommandant für die Sicherheit seines Gastes einstehen zu können. Dagegen verhehlte er ihm nicht, daß auf der Landstraße des Nachts leicht ein paar entschlossene Kerle einen Reisewagen überfallen und berauben könnten. Deshalb schlage er vor, die Reise lieber am Tage fortzusetzen, wo die Berlin—Hamburger Heerstraße belebt und die Gefahr eines Überfalles weniger zu befürchten sei. Der Lord täte besser, die Nacht hier im Gasthause zu verbringen, wo ihm zwei Kürassiere von der in Perleberg garnisonierenden Schwadron zur Verfügung stehen sollten.
Trotz der recht eindringlichen Schilderung der Gefahren einer nächtlichen Fahrt legte der Diplomat doch Wert auf eine unverzügliche Fortsetzung seiner Reise. Er lehnte die wohlmeinenden Ratschläge so unwirsch ab, daß Klitzing sich verstimmt abwandte.
Wie sehr der Engländer seelisch und körperlich angegriffen war, sah man, als die junge Tochter 3 ) der Wirtsleute des Kommandanten ein Tablett mit Tee servierte. Seine zitternden Hände waren kaum imstande, die Tasse zum Munde zu führen.
Unter Vorschützen seiner zunehmenden Heiserkeit bat der einsilbig gewordene Klitzing die kleine Demoiselle, an seiner Stelle den Lord zu unterhalten. Sie war durchaus nicht schüchtern, und bei ihrem naiven Geplauder erheiterten sich Bathurst’s abgespannte Züge. Er erzählte, wie er anfangs in den Diensten der Ostindischen Kompagnie, später als Diplomat, von seiner Regierung in aller möglichen Herren Länder verwendet worden sei und viel von der Welt gesehen hätte. Dann aber kam wieder die trübe Stimmung wie eine dunkle Wolke über ihn. In seinem wunderlichen Ge- mengsel von deutsch und französisch gestand er, daß er sich infolge der
3) Spätere Ehefrau des Sanitätsrates Kreß.