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Deutsche Rundschau.
doch sehr standesgemäß eingerichtet, und es empfahl sich, in der Correspondenz mit ihm, ein Bild von Allem, was da war, zu gewinnen, um nichts Unnützes anzuschaffen. Schließlich, als Frau von Briest über all' diese Dinge genugsam unterrichtet war, wurde seitens Mutter und Tochter eine Reise nach Berlin beschlossen, um, wie Briest sich ausdrückte, den „tronsssau" sür Prinzessin Esst zusammenzukausen. Esst freute sich sehr auf den Aufenthalt in Berlin, um so mehr, als der Vater darein gewilligt hatte, im Hotel du Nord Wohnung zu nehmen. „Was es koste, könne ja von der Ausstattung abgezogen werden; Jnnstetten habe ohnehin Alles." Esst — ganz im Gegensätze zu der solche „Mesquinerien" ein sür allemal sich verbittenden Mama — hatte dem Vater, ohne jede Sorge darum, ob er's scherz- oder ernsthaft gemeint hatte, freudig zugestimmt und beschäftigte sich in ihren Gedanken viel, viel mehr mit dem Eindruck, den sie beide, Mutter und Tochter, bei ihrem Erscheinen an der Tadle ä'dote machen würden, als mit Spinn und Mencke, Goschenhoser und ähnlichen Firmen, die vorläufig notirt worden waren. Und diesen ihren heiteren Phantasien entsprach denn auch ihre Haltung, als die große Berliner Woche nun wirklich da war. Vetter Briest vom Alexander-Regiment, ein un- gemein ausgelassener, junger Lieutenant, der die „Fliegenden Blätter" hielt und über die besten Witze Buch führte, stellte sich den Damen für jede dienstfreie Stunde zur Verfügung, und so saßen sie denn mit ihm bei Kranzler am Eckfenster oder zu statthafter Zeit auch Wohl im Cafo Bauer und fuhren Nachmittags in den Zoologischen Garten, um da die Giraffen zu sehen, von denen Vetter Briest, der übrigens Dagobert hieß, mit Vorliebe behauptete: „sie sähen aus wie adlige alte Jungfern." Jeder Tag verlief programmmäßig, und am dritten oder vierten Tage gingen sie, wie vorgeschrieben, in die Nationalgalerie, weil Vetter Dagobert seiner Cousine die „Insel der Seligen" zeigen wollte. „Fräulein Cousine stehe zwar auf dem Punkte, sich zu ver- heirathen, es sei aber doch vielleicht gut, die ,Insel der Seligerff schon vorher kennen gelernt zu haben." Die Tante gab ihm einen Schlag mit dem Fächer, begleitete diesen Schlag aber mit einem so gnädigen Blick, daß er keine Veranlassung hatte, den Ton zu ändern. Es waren himmlische Tage sür alle Drei, nicht zum wenigsten sür den Vetter, der so wundervoll zu chaperonniren und kleine Differenzen immer rasch auszugleichen verstand. An solchen Meinungsverschiedenheiten zwischen Mutter und Tochter war nun, wie das so geht, all' die Zeit über kein Mangel, aber sie traten glücklicherweise nie bei den zu machenden Einkäufen hervor. Ob man von einer Sache sechs oder drei Dutzend erstand, Esst war mit Allem gleichmäßig einverstanden, und wenn dann aus dem Heimwege von dem Preise der eben eingekauften Gegenstände gesprochen Wurde, so verwechselte sie regelmäßig die Zahlen. Frau von Briest, sonst so kritisch, auch ihrem eigenen geliebten Kinde gegenüber, nahm dies anscheinend mangelnde Interesse nicht nur von der leichten Seite, sondern erkannte sogar einen Vorzug darin. „Alle diese Dinge," so sagte sie sich, „bedeuten Esst nicht viel. Esst ist anspruchslos; sie lebt in ihren Vorstellungen und Träumen, und wenn die Prinzessin Friedrich Karl vorüberfährt und sie von ihrem Wagen aus freundlich grüßt, so gilt ihr das mehr als eine ganze Truhe voll Weißzeug."