186
Deutsche Rundschau.
geklärt, über kleine Standesvorurtheile weg, und Kotschukoff und Gieshübler — den sie übrigens,Onkell nennt, und man kann fast von ihm sagen, er sei der geborne Onkel — diese Beiden sind es recht eigentlich, die die kleine Marie Trippel zu dem gemacht haben, was sie jetzt ist. Gieshübler war es, durch
den sie nach Paris kam, und Kotschukoff hat sie dann in die Trippelli trans-
ponirt."
„Ach, Geert, wie reizend ist das Alles und welch' Alltagsleben habe ich doch in Hohen-Cremmen geführt! Nie was Apartes."
Jnnstetten nahm ihre Hand und sagte: „So darfst Du nicht sprechen, Efsi. Spuk, dazu kann man sich stellen wie man will. Aber hüte Dich vor
dem Aparten oder was man so das Aparte nennt. Was Dir so verlockend
erscheint — und ich rechne auch ein Leben dahin, wie's die Trippelli führt — das bezahlt man in der Regel mit seinem Glück. Ich weiß Wohl, wie sehr Du Dein Hohen-Cremmen liebst und daran hängst, aber Du spottest doch auch oft darüber und hast keine Ahnung davon, was stille Tage, wie die Hohen-Cremmer, bedeuten."
„Doch, doch," sagte sie. „Ich weiß es Wohl. Ich höre nur gern einmal von etwas Anderem, und dann wandelt mich die Lust an, mit dabei zu sein. Aber Du hast ganz recht. Und eigentlich Hab' ich doch eine Sehnsucht nach Ruh' und Frieden."
Jnnstetten drohte ihr mit dem Finger. „Meine einzig liebe Esfi, das denkst Du Dir nun auch wieder so aus. Immer Phantasien, 'mal so, 'mal so."
Elftes Capitel.
Die Fahrt verlies ganz wie geplant. Um ein Uhr hielt der Schlitten unten am Bahndamm vor dem Gasthause „Zum Fürsten Bismarck", und Golchowski, glücklich, den Landrath bei sich zu sehen, war beflissen, ein vorzügliches Dejeuner herzurichten. Als zuletzt das Dessert und der Ungarwein ausgetragen wurden, rief Jnnstetten den von Zeit zu Zeit erscheinenden und nach der Ordnung sehenden Wirth heran und bat ihn, sich mit an den Tisch zu setzen und ihnen 'was zu erzählen. Dazu war Golchowski denn auch der rechte Mann; auf zwei Meilen in der Runde wurde kein Ei gelegt, von dem er nicht wußte. Das zeigte sich auch heute wieder. Sidonie Grasenabb, Jnnstetten hatte recht vermuthet, war, wie vorige Weihnachten, so auch diesmal wieder auf vier Wochen zu „Hofpredigers" gereist; Frau von Pal- leske, so hieß es weiter, habe ihre Jungfer wegen einer fatalen Geschichte Knall und Fall entlassen müssen, und mit dem alten Fraude steh' es schlecht — es werde zwar in Kurs gesetzt, er sei bloß ausgeglitten, aber es sei ein Schlaganfall gewesen, und der Sohn, der in Lissa bei den Husaren stehe, werde jede Stunde erwartet. Nach diesem Geplänkel war man dann, zu Ernsthafterem übergehend, aus Varzin gekommen. „Ja," sagte Golchowski, „wenn man sich den Fürsten so als Papiermüller denkt! Es ist doch Alles sehr merkwürdig; eigentlich kann er die Schreiberei nicht leiden, und das bedruckte Papier erst recht nicht, und nun legt er doch selber eine Papiermühle an."