Heft 
(1894) 81
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Deutsche Rundschau.

Ach, Luise, komme mir doch nicht mit solchen Geschichten. Effi ist unser Kind, aber seit dem 3. October ist sie Baronin Jnnstetten. Und wenn ihr Mann, unser Herr Schwiegersohn, eine Hochzeitsreise machen und bei der Gelegenheit jede Galerie neu katalogisiren will, so kann ich ihn daran nicht hindern. Das ist eben das, was man sich verheirathen nennt."

Also jetzt gibst Du das zu. Mir gegenüber hast Du's immer bestritten, immer bestritten, daß die Frau in einer Zwangslage sei."

Ja, Luise, das Hab' ich. Aber wozu das jetzt. Das ist wirklich ein zu Weites Feld."

Sechstes Capitel.

Mitte November sie waren bis Capri und Sorrent gekommen lief Jnnstetten's Urlaub ab, und es entsprach seinem Charakter und seinen Gewohn­heiten, genau Zeit und Stunde zu halten. Am 14. früh traf er denn auch mit dem Courierzuge in Berlin ein, wo Vetter Briest ihn und die Cousine begrüßte und vorschlug, die zwei bis zum Abgänge des Stettiner Zuges noch zur Verfügung bleibenden Stunden zum Besuche des St. Privat-Panoramas zu benutzen und diesem Panoramabesuch ein kleines Gabelfrühstück folgen zu lassen. Beides wurde dankbar acceptirt. Um Mittag war man wieder auf dem Bahnhof und nahm hier, nachdem, wie herkömmlich, die glücklicherweise nie ernst gemeinte Aufforderungdoch auch 'mal herüberzukommen," ebenso von Effi wie von Jnnstetten ausgesprochen worden war, unter herzlichem Hände­schütteln Abschied von einander. Noch als der Zug sich schon in Bewegung setzte, grüßte Efsi vom Coupw aus. Dann machte sie sich's bequem und schloß die Augen; nur von Zeit zu Zeit richtete sie sich wieder aus und reichte Jnnstetten die Hand.

Es war eine angenehme Fahrt, und pünktlich erreichte der Zug den Bahn­hof Klein-Tantow, von dem aus eine Chaussee nach dem noch zwei Meilen entfernten Kessin hinüberführte. Bei Sommerzeit, namentlich während der Bademonate, benutzte man statt der Chaussee lieber den Wasserweg und fuhr, ans einem alten Raddampfer, das Flüßchen Kessine, dem Kessin selbst seinen Namen verdankte, hinunter; am 1. October aber stellte derPhönix", von dem seit lange vergeblich gewünscht wurde, daß er in einer passagiersreien Stunde sich seines Namens entsinnen und verbrennen möge, regelmäßig seine Fahrten ein, weshalb denn auch Jnnstetten bereits von Stettin aus an seinen Kutscher Kruse telegraphirt hatte:Fünf Uhr, Bahnhof Klein-Tantow. Bei gutem Wetter offener Wagen."

Und nun war gutes Wetter, und Kruse hielt in offenem Gefährt am Bahnhof und begrüßte die Ankommenden mit dem vorschriftsmäßigen Anstand eines herrschaftlichen Kutschers.

Nun, Kruse, Alles in Ordnung?"

Zu Befehl, Herr Landrath."

Dann, Effi, bitte, steig' ein." Und während Effi dem nachkam, und einer von den Bahnhofsleuten einen kleinen Handkoffer vorne beim Kutscher