Heft 
(1894) 81
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Effi Briest.

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Das Alles war auch richtig, aber doch nur halb. An dem Besitze mehr oder weniger alltäglicher Dinge lag Effi nicht viel, aber wenn sie mit der Mama die Linden hinauf- und hinunterging und nach Musterung der schönsten Schaufenster in den Demuth'schen Laden eintrat, um für die gleich nach der Hochzeit geplante italienische Reise allerlei Einkäufe zu machen, so zeigte sich ihr wahrer Charakter. Nur das Eleganteste gefiel ihr, und wenn sie das Beste nicht haben konnte, so verzichtete sie auf das Zweitbeste, weil ihr dies Zweite nun nichts mehr bedeutete. Ja, sie konnte verzichten, darin hatte die Mama Recht, und in diesem Verzichtenkönnen lag etwas von Anspruchs­losigkeit; wenn es aber ausnahmsweise 'mal wirklich Etwas zu besitzen galt, so mußte dies immer 'was ganz Apartes sein. Und darin war sie an­spruchsvoll.

Viertes Capitel.

Vetter Dagobert war am Bahnhof, als die Damen ihre Rückreise nach Hohen-Cremmen antraten. Es waren glückliche Tage gewesen, vor Allem auch darin, daß man nicht unter unbequemer und beinahe unstandesgemäßer Ver­wandtschaft gelitten hatte.Für Tante Therese," so hatte Effi gleich nach der Ankunft gesagt,müssen wir diesmal incognito bleiben. Es geht nicht, daß sie hier ins Hotel kommt. Entweder Hotel du Nord oder Tante Therese; beides zusammen paßt nicht." Die Mama hatte sich schließlich einverstanden damit erklärt, ja dem Lieblinge zur Besiegelung des Einverständnisses einen Kuß aus die Stirn gegeben.

Mit Vetter Dagobert war das natürlich etwas ganz Anderes gewesen, der hatte nicht bloß den Gardepli, der hatte vor Allem auch mit Hülfe jener eigenthümlich guten Laune, wie sie bei den Alexanderossicieren bei­nahe traditionell geworden, sowohl Mutter wie Tochter von Anfang an anzu­regen und aufzuheitern gewußt, und diese gute Stimmung dauerte bis zuletzt. Dagobert," so hieß es noch beim Abschied,Du kommst also zu meinem Polterabend, und natürlich mit Cortoge. Denn nach den Aufführungen (aber kommt mir nicht mit Dienstmann oder Mausefallenhändler) ist Ball. Und Du mußt bedenken, mein erster großer Ball ist vielleicht auch mein letzter. Unter sechs Kameraden natürlich beste Tänzer wird gar nicht angenommen. Und mit dem Frühzug könnt ihr wieder zurück." Der Vetter versprach Alles, und so trennte man sich.

Gegen Mittag trafen beide Damen an ihrer havelländischen Bahnstation ein, mitten im Luch, und fuhren in einer halben Stunde nach Hohen-Cremmen hinüber. Briest war sehr froh, Frau und Tochter wieder zu Hause zu haben, und stellte Fragen über Fragen, deren Beantwortung er meist nicht abwartete. Statt dessen erging er sich in Mittheilung dessen, was er inzwischen erlebt. Ihr habt mir da vorhin von der Nationalgalerie gesprochen und von der ,Insel der Seligen' nun, wir haben hier, während Ihr fort wart, auch so 'was gehabt: unser Jnspector Pink und die Gärtnerssrau. Natürlich habe ich Pink entlassen müssen, übrigens ungern. Es ist sehr fatal, daß solche Ge-