wir noch Männer haben wie Baron Jnnstetten, wen ich stolz bin meinen Freund nennen zu dürfen, so lange geht es noch, so lange hält unser altes Preußen noch. Ja, meine Freunde, Pommern und Brandenburg, damit zwingen wir's und zertreten dem Drachen der Revolution das giftige Haupt. Fest und treu, so siegen wir. Die Katholiken, unsere Brüder, die wir, auch wenn wir sie bekämpfen, achten müssen, haben den Felsen Petri, wir aber haben den Rocher de Bronce. Baron Jnnstetten, er lebe hoch!" Jnnstetten dankte ganz kurz. Esst sagte zu dem neben ihr sitzenden Major v. Crampas: Das mit dem ,Felsen Petri' sei wahrscheinlich eine Huldigung gegen Roswitha gewesen; sie werde nachher an den alten Justizrath Gadebusch herantreten und ihn fragen, ob er nicht ihrer Meinung sei. Crampas nahm diese Bemerkung unerklärlicher Weise für Ernst und rieth von einer Anfrage bei dem Justizrath ab, was Esst ungemein erheiterte. „Ich habe Sie doch für einen besseren Seelenleser gehalten."
„Ach, meine Gnädigste, bei schönen, jungen Frauen, die noch nicht Achtzehn sind, scheitert alle Leseknnst."
„Sie verderben sich vollends, Major. Sie können mich eine Großmutter nennen, aber Anspielungen daraus, daß ich noch nicht Achtzehn bin, das kann Ihnen nie verziehen werden."
Als man von Tisch ansgestanden war, kam der Spätnachmittags-Dampfer die Kessine herunter und legte an der Landungsbrücke, gegenüber dem Hotel, an. Esst saß mit Crampas und Gieshübler beim Kaffee, alle Fenster aus, und sah dem Schauspiel drüben zu. „Morgen früh um Neun führt mich dasselbe Schiff den Fluß hinauf, und zu Mittag bin ich in Berlin, und am Abend bin ich in Hohen - Cremmen, und Roswitha geht neben mir und hält das Kind auf dem Arme. Hoffentlich schreit es nicht. Ach, wie mir schon heute zu Muthe ist! Lieber Gieshübler, sind Sie auch 'mal so froh gewesen, Ihr elterliches Haus wiederzusehen?"
„Ja, ich kenne das auch, gnädigste Frau. Nur bloß ich brachte kein Anniechen mit, weil ich keins hatte."
„Kommt noch," sagte Crampas. „Stoßen Sie an, Gieshübler; Sie sind der einzige vernünftige Mensch hier."
„Aber, Herr Major, wir haben ja bloß noch den Cognac."
„Desto besser."
Fünfzehntes Capitel.
Mitte August war Esst abgereist, Ende September war sie wieder in Kessin. Manchmal in den zwischenliegenden sechs Wochen hatte sie's zurückverlangt; als sie aber wieder da war und in den dunklen Flur eintrat, aus den nur von der Treppenstiege her ein etwas fahles Licht fiel, wurde ihr mit einem Male wieder bang, und sie sagte leise: „Solch' fahles, gelbes Licht gibt es in Hohen-Cremmen gar nicht."
Ja, ein paarmal, während ihrer Hohen-Cremmer Tage, hatte sie Sehnsucht nach dem „verwunschenen Hause" gehabt, Alles in Allem aber war ihr doch das Leben daheim voller Glück und Zufriedenheit gewesen. Mit Hulda
Deutsche Rundschau. XXI, 3. 22