Heft 
(1894) 81
Seite
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Deutsche Rundschau.

freilich, die's nicht verwinden konnte, noch immer auf Mann oder Bräutigam warten zu muffen, hatte sie sich nicht recht stellen können, desto bester da­gegen mit den Zwillingen, und mehr als einmal, Wenn sie mit ihnen Ball oder Crocket gespielt hatte, war ihr's ganz aus dem Sinn gekommen, über­haupt verheirathet zu sein. Das waren dann glückliche Viertelstunden gewesen. Am liebsten aber hatte sie wie früher auf dem durch die Lust fliegenden Schaukelbrett gestanden, und in dem Gefühle:setzt stürz' ich", etwas eigen­tümlich Prickelndes, einen Schauer süßer Gefahr empfunden. Sprang sie dann schließlich von der Schaukel ab, so begleitete sie die beiden Mädchen bis an die Bank vor dem Schulhause und erzählte, wenn sie da saßen, dem als­bald hinzukommenden alten Jahnke von ihrem Leben in Kessin, das halb hanseatisch und halb skandinavisch und jedenfalls sehr anders als in Schwantikow und Hohen-Cremmen sei.

Das waren so die täglichen kleinen Zerstreuungen, an die sich gelegentlich auch Fahrten in das sommerliche Luch schlossen, meist im Jagdwagen; Allem voran aber standen für Esst doch die Plaudereien, die sie beinahe jeden Morgen mit der Mama hatte. Sie saßen dann oben in der luftigen, großen Stube, Roswitha wiegte das Kind und sang in einem thüringischen Platt allerlei Wiegenlieder, die Niemand recht verstand, vielleicht sie selber nicht; Effi und Frau von Briest aber rückten ans offene Fenster und sahen, während sie sprachen, auf den Park hinunter, auf die Sonnenuhr oder aus die Libellen, die beinahe regungslos über dem Teich standen, oder auch auf den Fliesengang, wo Herr von Briest neben dem Treppenvorbau saß und die Zeitungen las. Immer, wenn er umschlug, nahm er zuvor den Kneifer ab und grüßte zu Frau und Tochter hinaus. Kam dann das letzte Blatt an die Reihe, das in der Regel derAnzeiger sür's Havelland" war, so ging Esfi hinunter, um sich entweder zu ihm zu setzen oder um mit ihm durch Garten und Park zu schlendern. Einmal, bei solcher Gelegenheit, traten sie, von dem Kieswege her, an ein kleines, zur Seite stehendes Denkmal heran, das schon Briest's Großvater zur Erinnerung an die Schlacht von Waterloo hatte ausrichten lassen, eine ver­rostete Pyramide mit einem gegossenen Blücher in Front und einem dito Wellington aus der Rückseite.

Hast Du nun solche Spaziergänge auch in Kessin," sagte Briest,und begleitet Dich Jnnstetten auch und erzählt Dir allerlei?"

Nein, Papa, solche Spaziergänge habe ich nicht. Das ist ausgeschlossen, denn wir haben bloß einen kleinen Garten hinter dem Hause, der eigentlich kaum ein Garten ist, bloß ein paar Buchsbaumrabatten und Gemüsebeete mit drei, vier Obstbäumen drin. Jnnstetten hat keinen Sinn dafür und denkt Wohl auch nicht mehr lange in Kessin zu bleiben."

Aber Kind, Du mußt doch Bewegung haben und frische Luft, daran bist Du doch gewöhnt."

Hab' ich auch. Unser Haus liegt an einem Wäldchen, das sie die Plantage nennen. Und da geh' ich denn viel spazieren und Rollo mit mir."

Immer Rollo," lachte Briest.Wenn man's nicht anders wüßte, so sollte man beinah' glauben, Rollo sei Dir mehr ans Herz gewachsen als Mann und Kind."