Effi Briest.
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„Ach, Papa, das Wäre ja schrecklich, wenn's auch freilich — so viel muß ich zugeben — eine Zeit gegeben hat, wo's ohne Rollo gar nicht gegangen wäre. Das war damals . . . nun, Du weißt schon ... Da hat er mich so gut wie gerettet oder ich habe mir's wenigstens eingebildet, und seitdem ist er mein guter Freund und mein ganz besonderer Verlaß. Aber er ist doch bloß ein Hund. Und erst kommen doch natürlich die Menschen."
„Ja, das sagt man immer, aber ich habe da doch so meine Zweifel. Das mit der Kreatur, damit hat's doch seine eigene Bewandtniß, und was da das Richtige ist, darüber sind die Acten noch nicht geschlossen. Glaube mir, Effi, das ist auch ein weites Feld. Wenn ich mir so denke, da verunglückt Einer aus dem Wasser oder gar auf dem schülbrigen Eis, und solch ein Hund, sagen wir so einer wie Dein Rollo, ist dabei, ja, der ruht nicht eher, als bis er den Verunglückten wieder an Land hat. Und wenn der Verunglückte schon todt ist, dann legt er sich neben den Todten hin und blafft und winselt so lange, bis wer kommt, und wenn keiner kommt, dann bleibt er bei dem Todten liegen, bis er selber todt ist. Und das thut solch' Thier immer. Und nun nimm dagegen die Menschheit! Gott, vergieb mir die Sünde, aber mitunter ist mir's doch, als ob die Kreatur besser wäre als der Mensch."
„Aber, Papa, wenn ich das Jnnstetten wieder erzählte . . ."
„Nein, das thu' lieber nicht, Effi ..."
„Rollo würde mich ja natürlich retten, aber Jnnstetten würde mich auch retten. Er ist ja ein Mann von Ehre."
„Das ist er."
„Und liebt mich."
„Versteht sich, versteht sich. Und wo Liebe ist, da ist auch Gegenliebe. Das ist nun 'mal so. Mich wundert nur, daß er nicht 'mal Urlaub genommen hat und 'rübergeflitzt ist. Wenn man eine so junge Frau hat . . ."
Effi erröthete, weil sie gerade so dachte. Sie mochte es aber nicht einräumen. „Jnnstetten ist so gewissenhaft und will, glaub' ich, gut angeschrieben sein, und hat so seine Pläne für die Zukunft; Kessin ist doch bloß eine Station. Und dann am Ende, ich laus' ihm ja nicht fort. Er hat mich ja. Wenn man zu zärtlich ist . . . und dazu der Unterschied der Jahre ... da lächeln die Leute bloß."
„Ja, das thun sie, Effi. Aber darauf muß man's ankommen lassen. Uebrigens sage nichts darüber, auch nicht zu Mama. Es ist so schwer, was man thun und lassen soll. Das ist auch ein weites Feld."
-fl H:
Gespräche, wie diese, waren während Effi's Besuch im elterlichen Hause mehr als einmal geführt worden, hatten aber glücklicherweise nicht lange nachgewirkt, und ebenso war auch der etwas melancholische Eindruck rasch verflogen, den das erste Wiederbetreten ihres Kessiner Hauses aus Essi gemacht hatte. Jnnstetten zeigte sich voll kleiner Aufmerksamkeiten, und als der Thee genommen und alle Stadt- und Liebesgeschichten in heiterster Stimmung durchgesprochen waren, hing sich Effi zärtlich an seinen Arm, um drüben ihre Plaudereien mit ihm sortzusetzen und noch einige Anekdoten von der Trippelli
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