Effi Briest.
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. Ich muß Dir nämlich sagen, Effi, daß Baron Jnnstetten eben um Deine Hand angehalten hat."
„Um meine Hand angehalten? Und im Ernst?"
„Es ist keine Sache, um einen Scherz daraus zu machen. Du hast ihn vorgestern gesehen, und ich glaube, er hat Dir auch gut gefallen. Er ist freilich älter als Du, was Alles in Allem ein Glück ist, dazu ein Mann von Charakter, von Stellung und guten Sitten, und wenn Du nicht ,Neiw sagst, was ich mir von meiner klugen Effi kaum denken kann, so stehst Du mit zwanzig Jahren da, wo Andere mit vierzig stehen. Du wirst Deine Mama weit überholen."
Effi schwieg und suchte nach einer Antwort. Aber ehe sie diese finden konnte, hörte sie schon des Vaters Stimme von dem angrenzenden, noch im Fronthause gelegenen Hinterzimmer her, und gleich danach überschritt Ritter- schastsrath von Briest, ein Wohl conservirter Fünfziger von ausgesprochener Bonhommie, die Gartensalonschwelle — mit ihm Baron Jnnstetten, schlank, brünett und von militärischer Haltung.
Effi, als sie seiner ansichtig wurde, kam in ein nervöses Zittern; aber nicht auf lange, denn im selben Augenblicke fast, wo sich Jnnstetten unter freundlicher Verneigung ihr näherte, wurden an dem mittleren der weit offen stehenden und von wildem Wein halb überwachsenen Fenster die rothblonden Köpfe der Zwillinge sichtbar, und Hertha, die Ausgelassenste, rief in den Saal hinein: „Effi, komm."
Dann duckte sie sich, und beide Schwestern sprangen von der Banklehne, daraus sie gestanden, wieder in den Garten hinab, und man hörte nur noch ihr leises Kichern und Lachen.
Drittes Capitel.
Noch an demselben Tage hatte sich Baron Jnnstetten mit Effi Briest verlobt. Der joviale Brautvater, der sich nicht leicht in seiner Feierlichkeitsrolle zurecht fand, hatte bei dem Verlobungsmahl, das folgte, das junge Paar leben lassen, was auf Frau von Briest, die dabei der nun um kaum achtzehn Jahre zurückliegenden Zeit gedenken mochte, nicht ohne herzbeweglichen Eindruck geblieben war. Aber nicht auf lange; sie hatte es nicht sein können, nun war es statt ihrer die Tochter — Alles in Allem ebenso gut oder vielleicht noch besser. Denn mit Briest ließ sich leben, trotzdem er ein wenig prosaisch war und dann und wann einen kleinen frivolen Zug hatte. Gegen Ende der Tafel, das Eis wurde schon herumgereicht, nahm der alte Ritterschaftsrath noch einmal das Wort, um in einer zweiten Ansprache das allgemeine Familien-Du zu proponiren Er umarmte dabei Jnnstetten und gab ihm einen Kuß auf die
linke Backe. Hiermit war aber die Sache für ihn. noch nicht abgeschlossen, vielmehr fuhr er fort, außer dem „Du" zugleich intimere Namen und Titel für den Hausverkehr zu empfehlen, eine Art Gemüthlichkeitsrangliste auszustellen, natürlich unter Wahrung berechtigter, weil wohlerworbener Eigenthümlichkeiten. Für seine Frau, so hieß es, würde der Fortbestand von „Mama" (denn es gäbe