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Deutsche Rundschau.
zu hören, die neuerdings wieder mit Gieshübler in einer lebhaften Korrespondenz gestanden hatte, was immer gleichbedeutend mit einer neuen Belastung ihres nie ausgeglichenen Kontos war. Effi war bei diesem Gespräche sehr ausgelassen, fühlte sich ganz als junge Frau und war froh, die nach der Gesindestube hin ausquartirte Roswitha aus unbestimmte Zeit los zu sein.
Am anderen Morgen sagte sie: „Das Wetter ist schön und mild und ich hoffe, die Veranda nach der Plantage hinaus ist noch in gutem Stande, und Wir können uns ins Freie setzen und da das Frühstück nehmen. In unsere Zimmer kommen wir ohnehin noch früh genug, und der Kessiner Winter ist wirklich um vier Wochen zu lang."
Jnnstetten war sehr einverstanden. Die Veranda, von der Effi gesprochen, und die vielleicht richtiger ein Zelt genannt worden Ware, war schon im Sommer hergerichtet worden, drei, vier Wochen vor Effi's Abreise nach Hohen- Cremmen, und bestand aus einem großen gedielten Podium, vorn offen, mit einer mächtigen Marquise zu Häupten, während links und rechts breite Lein- Wandvorhänge waren, die sich mit Hülfe von Ringen an einer Eisenstange hin und her schieben ließen. Es war ein reizender Platz, den ganzen Sommer über von allen Badegästen, die hier vorüber mußten, bewundert.
Effi hatte sich in einen Schankelstuhl gelehnt und sagte, während sie das Kaffeebrett von der Seite her ihrem Manne zuschob: „Geert, Du könntest heute den liebenswürdigen Wirth machen; ich für mein Theil find' es so schön in diesem Schaukelstuhl, daß ich nicht aufstehen mag. Also strenge Dich an, und wenn Du Dich recht freust, mich wieder hier zu haben, so werd' ich mich auch zu revanchiren wissen." Und dabei zupfte sie die Weiße Damastdecke zurecht und legte ihre Hand daraus, die Jnnstetten nahm und küßte.
„Wie bist Du nur eigentlich ohne mich fertig geworden?"
„Schlecht genug, Effi."
„Das sagst Du so hin und machst ein betrübtes Gesicht, und ist doch eigentlich Alles nicht wahr."
„Aber Effi ..."
„Was ich Dir beweisen will. Denn wenn Du ein bißchen Sehnsucht nach Deinem Kinde gehabt hättest — von mir selber will ich nicht sprechen, was ist man am Ende solchem hohen Herrn, der so lange Jahre Junggeselle war und es nicht eilig hatte . . ."
„Nun?"
„Ja, Geert, wenn Du nur ein bißchen Sehnsucht gehabt hättest, so hättest Du mich nicht sechs Wochen mutterwindallein in Hohen-Cremmen sitzen lassen wie eine Wittwe, und nichts da als Niemeher und Jahnke und 'mal die Schwantikower. Und von den Rathenowern ist Niemand gekommen, als ob sie sich vor mir gefürchtet hätten oder als ob ich zu alt geworden sei."
„Ach, Effi, Wie Du nur sprichst. Weißt Du, daß Du eine kleine Kokette bist?"
„Gott sei Dank, daß Du das sagst. Das ist für Euch das Beste, was man sein kann. Und Du bist nichts Anderes als die Anderen, wenn Du auch so feierlich und ehrsam thust. Ich weiß es recht gut, Geert . . . Eigentlich bist Du . . ."