Heft 
(1894) 81
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Effr Briest.

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unterbrachte, gab Jnnstetten Weisung, den Rest des Gepäcks mit dem Omnibus nachzuschicken. Gleich danach nahm auch er seinen Platz, bat, sich populär machend, einen der Umstehenden um Feuer und ries Kruse zu:Nun vor­wärts, Kruse." Und über die Schienen weg, die vielgleisig an der Ueber- gangsstelle lagen, ging es in Schräglinie den Bahndamm hinunter und gleich danach an einem schon an der Chaussee gelegenen Gasthause vorüber, das den NamenZum Fürsten Bismarck" führte. Denn an eben dieser Stelle gabelte der Weg und zweigte, wie rechts nach Kessin, so links nach Varzin hin ab. Vor dem Gasthause stand ein mittelgroßer breitschultriger Mann in Pelz und Pelzmütze, welch letztere er, als der Herr Landrath vorüberfuhr, mit vieler Würde vom Haupte nahm.Wer war denn das?" sagte Esst, die durch Alles, was sie sah, aufs Höchste interessirt und schon deshalb bei bester Laune war. Er sah ja aus wie ein Starost, wobei ich freilich bekennen muß, nie einen Starosten gesehen zu haben."

Was auch nicht schadet, Effi. Du hast es trotzdem sehr gut getroffen. Er sieht wirklich aus wie ein Starost und ist auch so 'was. Er ist nämlich ein halber Pole, heißt Golchowski, und wenn wir hier Wahl haben oder eine Jagd, dann ist er oben auf. Eigentlich ein ganz unsicherer Passagier, dem ich nicht über den Weg traue, und der Wohl viel auf dem Gewissen hat. Er spielt sich aber aus den Loyalen hin ans und wenn die Varziner Herr­schaften hier vorüberkommen, möcht' er sich am liebsten vor den Wagen werfen. Ich Weiß, daß er dem Fürsten auch widerlich ist. Aber was hilst's? Wir dürfen es nicht mit ihm verderben, weil wir ihn brauchen. Er hat hier die ganze Gegend in der Tasche und versteht die Wahlmache wie kein Anderer, gilt auch für wohlhabend. Dabei leiht er auf Wucher, was sonst die Polen nicht thun; in der Regel das Gegentheil."

Er sah aber gut aus."

Ja, gut aussehen thut er. Gut aussehen thun die Meisten hier- Ein hübscher Schlag Menschen. Aber das ist auch das Beste, was man von ihnen sagen kann. Eure märkischen Leute sehen unscheinbarer aus und verdrießlicher, und in ihrer Haltung sind sie weniger respectvoll, eigentlich gar nicht, aber ihr Ja ist Ja und Nein ist Nein, und man kann sich aus sie verlassen. Hier ist Alles unsicher."

Warum sagst Du mir das? Ich muß nun doch hier mit ihnen leben."

Du nicht. Du wirst nicht viel von ihnen hören und sehen. Denn Stadt und Land hier sind sehr verschieden, und Du wirst nur unsere Städter kennen lernen, unsere guten Kessiner."

Unsere guten Kessiner. Ist es Spott, oder sind sie wirklich so gut?"

Daß sie wirklich gut sind, will ich nicht gerade behaupten, aber sie sind doch anders als die Andern; ja, sie haben gar keine Ähnlichkeit mit der Land­bevölkerung hier."

Und wie kommt das?"

Weil es eben ganz andere Menschen sind, ihrer Abstammung nach und ihren Beziehungen nach. Was Du hier landeinwärts findest, das sind so­genannte Kaschuben, von denen Du vielleicht gehört hast, slavische Leute, die