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Deutsche Rundschau.
hier schon tausend Jahre sitzen und wahrscheinlich noch viel länger. Alles aber, was hier an der Küste hin in den kleinen See- und Handelsstädten wohnt, das sind von weither Eingewanderte, die sich um das kaschubische Hinterland wenig kümmern, weil sie wenig davon haben und auf etwas ganz Anderes angewiesen sind. Worauf sie angewiesen sind, das sind die Gegenden, mit denen sie Handel treiben und da sie das mit aller Welt thun und mit aller Welt in Verbindung stehen, so findest Du zwischen ihnen auch Menschen aus aller Welt Ecken und Enden. Auch in unserem guten Kessin, trotzdem es eigentlich nur ein Nest ist."
„Aber das ist ja entzückend, Geert. Du sprichst immer von Nest, und nun finde ich, wenn Du nicht übertrieben hast, eine ganz neue Welt hier. Allerlei Exotisches. Nicht wahr, so was Aehnliches meintest Du doch ?"
Er nickte.
„Eine ganz neue Welt, sag' ich, vielleicht einen Neger oder einen Türken, oder vielleicht sogar einen Chinesen."
„Auch einen Chinesen. Wie gut Du rathen kannst. Es ist möglich, daß wir wirklich noch einen haben, aber jedenfalls haben wir einen gehabt; jetzt ist er todt und aus einem kleinen eingegitterten Stück Erde begraben, dicht neben dem Kirchhof. Wenn Du nicht furchtsam bist, will ich Dir bei Gelegenheit 'mal sein Grab zeigen; es liegt zwischen den Dünen, bloß Strandhafer drum 'rum und dann und wann ein paar Immortellen, und immer hört man das Meer. Es ist sehr schön und sehr schauerlich."
„Ja, schauerlich, und ich möchte Wohl mehr davon wissen. Aber doch lieber nicht, ich habe dann immer gleich Visionen und Träume und möchte doch nicht, wenn ich diese Nacht hoffentlich gut schlafe, gleich einen Chinesen an mein Bett treten sehen."
„Das wird er auch nicht."
„Das wird er auch nicht. Höre, das klingt ja sonderbar, als ob es doch möglich wäre. Du willst mir Kessin interessant machen, aber Du gehst darin ein bißchen weit. Und solche fremde Leute habt ihr viele in Kessin?"
„Sehr viele. Die ganze Stadt besteht aus solchen Fremden, aus Menschen, deren Eltern oder Großeltern noch ganz wo anders saßen."
„Höchst merkwürdig. Bitte, sage mir mehr davon. Aber nicht wieder was Gruseliges. Ein Chinese, find' ich, hat immer was Gruseliges."
„Ja, das hat er," lachte Geert. „Aber der Rest ist, Gott sei Dank, von ganz anderer Art, lauter manierliche Leute, vielleicht ein bißchen zu sehr Kaufmann, ein bißchen zu sehr aus ihren Vortheil bedacht und mit Wechseln von zweifelhaftem Werth immer bei der Hand. Ja, man muß sich vorsehen mit ihnen. Aber sonst ganz gemüthlich. Und damit Du siehst, daß ich Dir nichts vorgemacht habe, will ich Dir nur so eine kleine Probe geben, so eine Art Register oder Personenverzeichniß."
„Ja, Geert, das thu'."
„Da haben wir beispielsweise keine fünfzig Schritt von uns, und unsere Gärten stoßen sogar zusammen, den Maschinen- und Baggermeister Macpher- son, einen richtigen Schotten und Hochländer."