Heft 
(1894) 81
Seite
25
Einzelbild herunterladen

Effi Briest.

25

Dies war am Tage nach der Hochzeit. Drei Tage später kam eine kleine gekritzelte Karte aus München, die Namen alle nur mit zwei Buchstaben an­gedeutet.Liebe Mama! Heute Vormittag die Pinakothek besucht. Geert Wollte auch noch nach dem andern hinüber, das ich hier nicht nenne, weil ich wegen der Rechtschreibung in Zweisei bin, und fragen mag ich ihn nicht. Er ist übrigens engelsgnt gegen mich und erklärt mir Alles. Ueberhaupt Alles sehr schön, aber anstrengend. In Italien wird es Wohl Nachlassen und besser werden. Wir wohnen in den Vier Jahreszeiten, was Geert veranlaßte, mir zu sagen,draußen sei Herbst, aber er habe in mir den Frühling." Ich finde es sehr innig. Er ist überhaupt sehr aufmerksam. Freilich ich muß es auch sein, namentlich wenn er 'was sagt oder erklärt. Er weiß übrigens Alles so gut, daß er nicht einmal nachzuschlagen braucht. Mit Entzücken spricht er von Euch, namentlich von Mama. Hulda findet er etwas zierig; aber der alte Niemeher hat es ihm ganz angethan. Tausend Grüße von Eurer ganz berauschten, aber auch etwas müden Effi."

Solche Karten trafen nun täglich ein, aus Innsbruck, aus Verona, aus Vicenza, aus Padua, eine jede fing an:Wir haben heute Vormittag die hiesige berühmte Galerie besucht," oder, wenn es nicht die Galerie war, so war es eine Arena oder irgend eine KircheSanta Maria" mit einem Zu­namen. Aus Padua kam, zugleich mit der Karte, noch ein wirklicher Brief. Gestern waren wir in Vicenza. Vicenza muß man sehen wegen des Palladio; Geert sagte mir, daß in ihm alles Moderne wurzle. Natürlich nur in Bezug aus Baukunst. Hier in Padua (wo wir heute früh ankamen) sprach er im Hotelwagen etliche Male vor sich hin: ,Er liegt in Padua begraben', und war überrascht, als er von mir vernahm, daß ich diese Worte noch nie gehört hätte. Schließlich aber sagte er, es sei eigentlich ganz gut und ein Vorzug, daß ich nichts davon wüßte. Er ist überhaupt sehr gerecht. Und vor Allem ist er engelsgut gegen mich und gar nicht überheblich und auch gar nicht alt. Ich habe noch immer das Ziehen in den Füßen, und das Nachschlagen und das lange Stehen vor den Bildern strengt mich an. Aber es muß ja sein. Ich freue mich sehr aus Venedig. Da bleiben wir fünf Tage, ja, vielleicht eine ganze Woche. Geert hat mir schon von den Tauben auf dem Markusplatze vorgeschwärmt, und daß man sich da Düten mit Erbsen kaust und dann die schönen Thiere damit füttert. Es soll Bilder geben, die das dar stellen, schöne, blonde Mädchen,ein Typus wie Hulda," sagte er. Wobei mir denn auch die Jahnke'schen Mädchen einfallen. Ach, ich gäbe 'was drum, wenn ich mit ihnen aus unsrem Hof auf einer Wagendeichsel sitzen und unsere Tauben füttern könnte. Die Pfauentaube mit dem starken Kropf dürft ihr aber nicht schlachten, die will ich noch Wiedersehen. Ach, es ist so schön hier. Es soll ja auch das Schönste sein. Eure glückliche, aber etwas müde Effi."

Frau von Briest, als sie den Brief vorgelesen hatte, sagte:Das arme Kind. Sie hat Sehnsucht."

Ja," sagte Briest,sie hat Sehnsucht. Diese verwünschte Reiserei . . ."

Warum sagst Du das jetzt? Du hättest es ja hindern können. Aber das ist so Deine Art, hinterher den Weisen zu spielen. Wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, decken die Rathsherren den Brunnen zu."