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Deutsche Rundschau.
uniform. Und einen Kadetten könne sie nicht einmal lieben, geschweige heirathen. Und dann sprach sie von Jnnstetten, der ihr mit einem Male der Träger aller männlichen Tugenden war."
„Und wie erklärst Du Dir das?"
„Ganz einfach. So geweckt und temperamentvoll und beinahe leidenschaftlich sie ist, oder vielleicht auch weil sie es ist, sie gehört nicht zu Denen, die so recht eigentlich auf Liebe gestellt sind, wenigstens nicht aus das, Was den Namen ehrlich verdient. Sie redet zwar davon, sogar mit Nachdruck und einem gewissen Ueberzeugungston, aber doch nur, weil sie irgendwo gelesen hat, Liebe sei nun 'mal das Höchste, das Schönste, das Herrlichste. Vielleicht hat sie's auch bloß von der sentimentalen Person, der Hulda, gehört und spricht es ihr nach. Aber sie empfindet nicht viel dabei. Wohl möglich, daß es Alles 'mal kommt, Gott verhüte es, aber noch ist es nicht da."
„Und was ist da? Was hat sie?"
„Sie hat nach meinem und auch nach ihrem eigenen Zengniß zweierlei: Vergnügungssucht und Ehrgeiz."
„Nun, das kann passiren. Da bin ich beruhigt."
„Ich nicht. Jnnstetten ist ein Karrieremacher — vom Streber will ich nicht sprechen, das ist er auch nicht, dazu ist er zu wirklich vornehm — also Karrieremacher, und das wird Essi's Ehrgeiz befriedigen."
„Nun also. Das ist doch gut."
„Ja, das ist gut! Aber es ist erst die Hälfte. Ihr Ehrgeiz wird befriedigt werden, aber ob auch ihr Hang nach Spiel und Abenteuer? Ich bezweifle. Für die stündliche kleine Zerstreuung und Anregung, für Alles, was die Langeweile bekämpft, diese Todseindin einer geistreichen kleinen Person, dafür wird Jnnstetten sehr schlecht sorgen. Er wird sie nicht in einer geistigen Oede lassen, dazu ist er zu klug und zu weltmännisch, aber er wird sie auch nicht sonderlich amüsiren. Und was das Schlimmste ist, er wird sich nicht einmal recht mit der Frage beschäftigen, wie das Wohl anzusangen sei. Das wird eine Weile so gehen, ohne viel Schaden anzurichten, aber zuletzt wird sie's merken, und dann Wird es sie beleidigen. Und dann weiß ich nicht, was geschieht. Denn so weich und nachgiebig sie ist, sie hat auch 'Was Rabiates und läßt es auf Alles ankommen."
In diesem Augenblicke trat Wilke vom Saal her ein und meldete, daß er Alles nachgezählt und Alles vollzählig gesunden habe; nur von den seinen Weingläsern sei eins zerbrochen, aber schon gestern, als das Hoch ausgebracht wurde — Fräulein Hulda habe mit Lieutenant Nienkerken zu scharf angestoßen.
„Versteht sich, von alter Zeit her immer im Schlaf, und unterm Hollunderbaum ist es natürlich nicht besser geworden. Eine alberne Person, und ich begreife Nienkerken nicht."
„Ich begreife ihn vollkommen."
„Er kann sie doch nicht heirathen."
„Nein."
„Also zu was?"
„Ein weites Feld, Luise."