Heft 
(1880) 39
Seite
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Theodor Fontane in Berlin.

echt deutschen Frau, (Französin" schrie Van der Straaten dazwischen), aus das Wohl der schönen und liebenswürdigen Dame des Hauses anstoßeu zu dürfen. Und die Gläser klangen zusammen. Aber in ihren Zusammenklang mischte sich für die schärfer Hörenden schon etivas wie Zittern und Miß- accord, und ehe noch das allgemeine Lächeln verflogen war, das des Polizei­raths hielt sich am längsten, brach Van der Straaten durch alle bis dahin mühsam Ungehaltenen Gehege durch und debutirte 'mal wieder ganz als er selbst. Er sei, so hob er an, leider nicht in der Lage, der für dieFrau Commercienräthin" gewiß höchst werthvollen Zustimmung seines Freundes Elimar Schulze (wobei er Vor- und Zunamen gleich ironisch betonte) seinerseits zustimmen zu können. Es gäbe freilich einen Gegensatz von Bezauberung und Behexung, aber manches in der Welt gelte für Behexung was Bezauberung und noch mehr gelte für Bezauberung was Behexung sei. Und er bitte sagen zu dürfen, daß er es seinerseits mit der Consegucnz halte und mit Farbe bekennen, und nicht mit heute so und morgen so. Am verdrießlichsten aber sei ihm zweierlei Maaß".

Er hielt hier einen Augenblick inne und war vielleicht überhaupt gewillt, es bei diesen Allgemeinsätzen bewenden zu lasseu. Aber die junge Gryczinska, die sich, nach Art aller Schwägerinnen etwas heraus nehmen durfte, sah ihn jetzt, in plötzlich wiedererwachtcm Muthe, keck und zuversichtlich an, und bat ihn doch aus seinen Orakelsprüchen heraus und zu bestimmteren Er­klärungen übergehen zu wollen.

O gewiß, meine Gnädigste" sagte der jetzt immer hitziger werdende Vau der Straaten.O gewiß, mein geliebtes Rothblond. Ich stehe zu Befehl und will aus allen Orakulosen und Mirakülosen heraus, und will in die Trompete blasen, daß ihr aus Eurer Dämmrung und meinetwegen auch aus Eurer Götterdämmrung erwachen sollt', als ob die Feuerwehr vorüber führe".

Ah" sagte Melanie, die jetzt auch ihrerseits alle Ruhe zu verlieren begann.Also da hinaus soll es".

,,Ja, süßer Engel, da hinaus. Da. Ihr stellt Euch stolz und gemüth- lich aus die Höhen aller Kunst und zieht als reine Oastu cliva am Himmel entlang, als ob ihr von Ozon und Keuschheit leben wolltet. Und wer ist Euer Abgott? Ter Ritter von Bayreuth, ein Behexer wie es nur je einen gegeben hat. lind an diesen Tannhäuser und Venusberg-Manu setzt ihr, als ob ihr wenigstens die Voggenhuber wäret, Eurer Seelen Seligkeit und singt und spielt ihn Morgens, Mittags und Abends. Oder dreimal täglich, wie auf Euren Pillenschachtelu steht. Und Euer Elimar immer mit. Und sein ewiger Sammtrock wird ihn auch nicht retten. Nicht ihn und nicht Euch. Oder wollt Ihr mir das Alles als himmlischen Zauber kredenzen? Ich sag Euch, fauler Zauber. Und das ist es, was ich zweierlei Maaß genannt habe- Den Murillo-Zauber möchtet Ihr zu Hexerei stempeln und die Wagner- Hexerei möchtet Ihr in Zauber verwandeln. Ich aber sag Euch, es liegt umgekehrt, und wenn es nicht umgekehrt liegt, so sollt Ihr mir wenigstens