Heft 
(1880) 39
Seite
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L'Adultera.

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immer wieder eine Durchschnittsheldengeschichte von zweifelhaftem Werth und noch zweifelhafterer Wahrheit hören zu müssen, aber es ist das Schönste was es giebt, zu helfen und zu heilen".

Melanie hatte, während er sprach, ihre Handarbeit in den Schooß gelegt und ihn fest und freundlich angesehen.Ei, das lob' ich und hör' ich gern. Aber wer mit so warmer Empfindung von dem Hofpitaldienst und dem Helfen und Heilen, das uns so wohl kleidet, zu sprechen versteht, der hat diese Wohlthat wohl an sich selbst erfahren. Und so plaudern Sie mir denn wider Willen, nach fünf Minuten schon, Ihre Geheimnisse aus. Versuchen Sie nicht, mich zu widerlegen, Sie würden scheitern damit, und da Sie die Frauenherzen so gut zu kennen scheinen, so werden Sie natürlich auch unsere Zwei stärksten Seiten kennen: unseren Eigensinn und unser Räthselrathen- Wir errathen Alles . . .

Und immer richtig?"

Nicht immer, aber meist. Und nun erzählen Sie mir, wie Sie Berlin finden, unsere gute Stadt, und unser Haus, und ob Sie das Zutrauen zu sich haben, in Ihrem Hofkerker, dem eigentlich nur noch die Gitterstäbe fehlen, nicht melancholisch zu werden. Aber wir hatten nichts Besseres. Und wo nichts ist, hat, wie das Sprichwort sagt ..."

O, Sie beschämen mich, meine gnädigste Frau. Jetzt erst, nach meinem Eintreffen, weiß ich, wie groß das Opfer ist, das Sie mir gebracht haben. Und ich darf füglich sagen, daß ich bei besserer Kenntniß ..."

Aber er sprach nicht aus und horchte plötzlich nach dem Hause hin, aus dem eben (die Musikstunde hatte schon vorher geschlossen) ein virtuoses und in jeder feinsten Nüauciruug erkennbares Spiel, bis auf die Veranda herausklaug. Es warWotans Abschied" und Rubehn erschien so hingerissen, daß es ihm Anstrengung kostete, sich loszumachen und das Gespräch wieder aufzunehmen. Endlich aber fand er sich zurück und sagte, während er sich abermals gegen Riekchen verneigte:Pardon, meine Gnädigste. Hatt' ich

recht gehört? Fräulein von Sawatzki?"

Das Fräulein nickte.

Mit einem jungen Offizier dieses Namens war ich einen Sommer über in Wildbad-Gastein zusammen. Unmittelbar nach dem Kriege. Ein liebenswürdiger, junger Cavälier. Vielleicht ein Anverwandter . . .?"

Ein Vetter", sagte Fräulein Riekchen.Es giebt nur wenige meines Namens und wir sind alle verwandt. Ich freue mich, aus Ihrem Munde von ihm zu hören. Er wurde noch in dem Nachspiel des Krieges ver­wundet, fast am letzten Tage. Bei Pontarlier. Und sehr schwer. Ich habe lange nichts von ihm gehört. Hat er sich erholt?"

Ich glaube sagen zu dürfen, vollkommen. Er thut wieder Dienst im Regiment, wovon ich mich, ganz neuerdings erst, durch einen glücklichen Zufall überzeugen konnte... Aber, mein gnädigstes Fräulein, wir werden unser Thema fallen lassen müssen. Die gnädige Frau lächelt bereits und

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