Heft 
(1880) 39
Seite
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wenigsten im Dienste weiblicher Eitelkeiten, die sich, nach dem Principe von Zug um Zug, bis ins Ungeheuerliche steigern könnten. Ich habe Reiff notirt, und Arnold und Elimar verstehen sich von selbst. Eine Wasserfahrt ohne Gesang ist ein Unding. Dies wird selbst von mir zugestanden. Und nun frag' ich, wer hat noch weitre Vorschläge zu machen? Niemand? Gut. So bleibt es bei Reifs und Arnold und Elimar, und ich werde sie per Rohrpost avertiren. Fünf Uhr. Und daß wir sie draußen bei Löbbekes erwarten".

Am andern Tage war alles Erregung und Bewegung auf der Villa,

viel, viel mehr als ob es sich um eine Reise nach Teplitz oder Carlsbad

gehandelt hätte. Natürlich, eine Fahrt nach Stralow war ja das unge­wöhnlichere. Die Kinder sollten mit, es sei Platz genug auf dem Wagen, aber Lydia war nicht zu bewegen und erklärte bestimmt, sie wolle nicht.

Ta mußte denn, wenn man keine Scene haben wollte, nachgegeben werden,

und auch die jüngere Schwester blieb, da sie sich daran gewöhnt hatte, dem Beispiele der älteren in all und jedem zu folgen.

In der Stadt wurde, wie verabredet, ein Gabelfrühstück genommen und zwar in Van der Straatens Zimmer. Er wollt' es so jagd- und reisemäßig wie möglich haben und war in bester Laune. Diese wnrd' auch nicht gestört, als in demselben Augenblicke, wo man sich gesetzt hatte, ein Absagebrief Reiffs eintraf. Der Polizeirath schrieb:Chef eben confidentiell mit mir gesprochen. Reise heute noch. Elf Uhr fünfzig. Eine Sache, die sich der Mittheilung entzieht. Dein Reiff. P. S. Ich bitte der schönen Frau die Hand küssen und ihr sagen zu dürfen, daß ich untröstlich bin ..."

Van der Straaten siel in einen heftigen Krampfhaften, weil er, unter dem Lesen, unklugerweise von seinem Sherry genippt hatte. Nichtsdesto­weniger sprach er unter Husten und Lachen weiter und erging sich in Vor­stellungen Reiss'scher Großthaten.In politischer Mission! Wundervoll. O lieb Vaterland, kannst ruhig sein. Aber einen kenn' ich, der noch ruhiger sein kann: der Unglückliche, den er sucht. Oder sag' ich gleich rundweg: der Attentäter, dem er sich an die Fersen heftet. Denn um etwas Staats- streichlich-Hochverrütherisches muß es sich doch am Ende handeln, wenn man einen Mann wie Reiff allerpersönlichst in den Sattel setzt. Nicht wahr, Sattlerchen von der Hölle? Und heut Abend noch! Die reine Ballade.Wir satteln nur um Mitternacht". O, Lenore! O Reiff, Reiff". Und er lachte convnlsivisch weiter.

Auch Arnold und Elimar, die man nach Verabredung draußen treffen wollte, wurden nicht geschont, bis endlich die Pendule vier schlug und zur Eile mahnte. Der Wagen wartete schon und die Damen stiegen ein und nahmen ihre Plätze: Fräulein Riekchen neben Melanie, Anastasia auf dem Rück­sitz. Und mit ihren Fächern und Sonnenschirmen grüßend, ging es über Platz und Straßen fort, erst auf die Frankfurter Linden und zuletzt ans das Stralauer Thor zu.