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Theodor Fontane in Berlin.
Kühle Blonde! Ob wohl unsere Blondine zwischen Tisch und Schapp in diese Kategorie fällt?"
Elimar hatte mittlerweile dem Schauspiele der untergehenden Sonne zugesehn und auf dem gebrechlichen Wasserstege nach Art eines Turners, der zuni Hocksprung ansetzt, seine Knie gebogen und wieder angestrasst. Alles mechanisch und gedankenlos. Plötzlich aber, wahrend er noch so hin und her wippte, knackte das Brett und brach, und nur der Geistesgegenwart, mit der er nach einem der Pfähle griff, mocht er es zuschreiben, daß er nicht in das gerad' an dieser Dampfschiff-Anlegestelle sehr tiefe Wasser niederstürzte. Die Damen schrieen laut auf, und Anastasia zitterte noch, als der durch sich selbst Gerettete mit einein gewissen Siegeslächeln erschien, das
unter den sich jagenden Vorwürfen, von „Tollkühnheit" und „Gleich
gültigkeit gegen die Gefühle seiner Mitmenschen" eher wuchs als schwand.
Ein Zwischenfall wie dieser konnte sich natürlich nicht ereignen, ohne von einer Fülle von Commentaren und Hypothesen begleitet zu werden, in
denen die Wörter „wenn" und ,,was" die Hauptrolle spielten und endlos
wiederkehrten. Was würde geschehen sein, wenn Elimar den Pfahl nicht rechtzeitig ergriffen hätte? Was, wenn er trotzdem hineingefallen, endlich was, wenn er nicht zufällig ein guter Schwimmer gewesen wäre?
Melanie, die längst ihr Gleichgewicht wieder gewonnen hatte, behauptete, daß Van der Straaten unter allen Umständen hätte nachspringen müssen und zwar erstens als Urheber der Parthie, zweitens als resoluter Mann und drittens als Commerzienrath, von denen, soweit es historische Auszeichnungen gäbe, noch keiner ertrunken wäre. Selbst bei der Sündsluth nicht.
Van der Straaten liebte nichts mehr als solche Neckereien seiner Frau, verwahrte sich aber, unter Dank für das ihm zugetraute Heldenthum, gegen alle daraus zu ziehenden Consequenzen. Er halte weder zu der alten Firma Leander, noch zu der neuen des Capitain Boyton, bekenne sich vielmehr, in allem was Heroismus angehe, ganz zu der Schule seines Freundes Heine, der, bei jeder Gelegenheit, seiner äußersten Abneigung gegen tragische Manieren, einen ehrlichen und unumwundenen Ausdruck gegeben habe.
„Aber", entgegnete Melanie, „tragische Manieren sind doch nun 'mal gerade das, was wir Frauen von Euch verlangen".
„Ah, bah! Tragische Manieren!" sagte Van der Straaten. „Lustige Manieren verlangt ihr und einen jungen Fant, der euch beim Zwirnwickeln die Docke hält und auf ein Fnßkissen niederkniet, daraus sonderbarerweise jedesmal ein kleines Hündchen gestickt ist. Muthmaßlich als Symbol der Treue. Und dann seufzt er, der Adorante, der betende Knabe, und macht Augen und versichert Euch seiner innigsten Theilnahme. Denn ihr müßtet unglücklich sein. Und nun wieder Seufzen und Pause. Freilich, ihr hättet einen guten Mann, (alle Männer seien gut, ach, so gut,) aber enün, ein Mann müsse nicht blos gut sein, ein Mann müsse seine Frau verstehen. Darauf komm' es an, sonst sei die Ehe niedrig, s o niedrig, mehr als niedrig.