L'Adultera.
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Und dann seufzt er zum dritten Mal. Und wenn der Zwirn endlich abgewickelt ist, was natürlich so lange wie möglich dauert, so glaubt Ihr es auch. Denn jede von Euch ist wenigstens für einen indischen Prinzen oder für einen Schah von Persien geboren. Allein schon wegen der Teppiche".
Melanie hatte während dieser echt Van der Straaten'schen Expektoration ihren Kopf gewiegt und erwiderte schnippisch und mit einem Anfluge von Hochmuth: „Ich weiß nicht, Ezel, warum Du beständig von Zwirn
sprichst. Ich wickle Seide".
Sehr wahrscheinlich, daß es dieser Bemerkung an einer spitzen Replik nicht gefehlt hätte, wenn nicht eben jetzt eine dralle, kurzärmelige Magd
erschienen und auf Augenblicke hin der Gegenstand allgemeiner Aufmerksamkeit geworden wäre. Schon um des virtuosen Puffs und Knalls willen, womit sie, wie zum Debüt, ihr Tischtuch auseinanderschlug. Und sehr bald nach ihr erschienen denn auch die dampfenden Schüsseln und die hohen Weißbierstangen, und selbst der Anisette für Anastasia war nicht vergessen. Aber es waren ihrer mehrere, da sich der lebens- und gesellschaftskluge Gabler der allgemeinen Damen-Stellung zur Anisette-Frage rechtzeitig erinnert hatte, und in der Thal, er mußte lächeln (und Van der Straaten mit ihm), als er gleich nach dem Erscheinen des Tabletts auch Riekchen
nippen und ihre Eulenaugen immer größer und freundlicher werden sah.
Inzwischen aber war es dämmerig geworden und mit der Dämmerung kam die Kühle. Gabler und Elimar erhoben sich, um aus dem Wagen eine Welt von Decken und Tüchern heran zu schleppen, und Melanie, nachdem sie den schwarz und weiß gestreiften Burnus umgenommen und die Kapuze kokett in die Höhe geschlagen hatte, sah reizender aus, als zuvor. Eine der Seidenpuscheln hing ihr in die Stirn und bewegte sich hin und her, wenn sie sprach, oder dem Gespräche der Andern lebhaft folgte.
Und dieses Gespräch, das sich bis dahin medisirend um die Gryzcinskis und vor allem auch um den Polizeirath und die neue catilinarische Ver
schwörung gedreht hatte, fing endlich an sich näher liegenden und zugleich auch harmloseren Thematas zuzuwenden, beispielsweise wie hell der „Wagen" am Himmel stünde.
„Fast so hell wie der große Bär", schaltete Riekchen ein, die nicht fest in der Himmelskunde war. Und nun entsaun man sich, daß dies gerade die Sternschnuppen-Nächte wären, auf welche Mittheilung hin Van der Straaten nicht nur die fallenden Sterne zu zählen anfing, sondern sich schließlich auch bis zu dem Satze steigerte, „daß Alles in der Welt eigentlich nur des Füllens wegen da sei: die Sterne, die Engel, und nur die Frauen nicht".
Melanie zuckte zusammen, aber Niemand sah es, am wenigsten Van
der Straaten, und nachdem noch eine ganze Weile gezahlt und gestritten und der Abend inzwischen immer kälter geworden war, einigte man sich dahin, daß es zur Bekämpfung dieser Polarzustände nur ein einzig erdenkbares Mittel gäbe: eine Glühweinbowle. Van der Straaten selbst machte den Vorschlag