Friedrich Lhristoxh Schlosser.
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Geschichtsschreibung zusammen, den man ihm oft und mit Recht zum schweren Borwurf gemacht hat, die Sorglosigkeit hinsichtlich der Form. Er sah immer nur auf die Sache und glaubte, das Uebrige werde sich von selbst finden. Er hatte sogar eine Abneigung gegen die Schönheit der Darstellung in historischen Werken, seit er ihre Hohlheit bei einem Manne wie Johannes Müller durchschaut hatte und zu bemerken glaubte, daß selbst ein Gibbon den Bedürfnissen des Stils zuweilen das Interesse der Sache opfere. Im Lause der Jahre muß er dann doch wohl wieder anders darüber denken gelernt haben. Gervinus schiebt es auf die Gleichgiltigkeit gegen die Form, daß er sich seinen Stil von Bercht und Krieg! ganz nach ihrem Gutdünken zurechtstutzen ließ; richtiger scheint die Auslegung zu sein, daß er fühlte, wie er mit seiner ungelenken Schreibart der Wirkung dessen schadete, was er vortrug. Mehr wie einmal glaubt man in der Geschichte des achtzehnten Jahrhunderts aus gelegentlichen Bemerkungen das Bedauern herauszuhören, sich nicht rechtzeitig die Herrschaft über den spröden Stofs der deutschen Sprache angeeignet zu haben; für den Fünfziger war es dazu, auch wenn er sonst gewollt hätte, freilich zu spät, und auch die Freunde konnten nur im Einzelnen bessern, während doch der Grundfehler in der ganzen Anlage der Perioden steckte, die Niemand ändern kann, als der Schriftsteller selbst. Was aber den Werken des menschlichen Geistes in der Leserwelt die Unsterblichkeit sichert, ist nicht der Inhalt, sondern die Form. Der Gedanke, einmal geboren, lebt fort in tausend Gestalten, und wer ihn in sich ausnimmt, dem pflegt wenig daran zu liegen, wo und in welcher Gestalt er zuerst an's Licht trat. Die Schönheit der Form aber behält ihren Reiz für immer,
sie zieht selbst diejenigen an, denen der Gehalt dieser Form gleichgiltig oder gar antipathisch ist. Daß er die Form so gering geschätzt, hat Schlosser büßen müssen bei der Nation; aber auch die Nation muß es büßen, daß er ihr den Zugang zu ihm so erschwert hat.
Man kann nicht sagen, daß Schlosser von Anfang an ein bestimmtes Ziel bei seinen wissenschaftlichen Studien im Auge gehabt hätte. Es hat lange gedauert, bis er in der Geschichte seinen eigentlichen Berus erkannte. Er war auch in der Richtung seiner Studien ein echter Sohn des achtzehnten Jahrhunderts. Es läßt sich kaum ein größerer Gegensatz denken,
als unsere Epoche mit ihrem Streben nach Specialisirung, mit ihrer immer
schroffer und schroffer durchgeführten Arbeitsteilung auch auf wissenschaftlichem Gebiete, und jenes Zeitalter der Polymathie. Wenn man die
Wissenschaft als ein abstractes Ding betrachtet, als die Gesammtsumme dessen, was die Menschheit weiß und erkannt hat — kein Zweifel, daß unsere Methode der des vorigen Jahrhunderts unendlich voraus ist, denn sie fördert das Anwachsen des Wissens in unvergleichlichem Maße. Wenn wir dagegen dem Wissen seinen Hauptwerth in Bezug aus das Individuum anweisen, wenn wir mit den Alten in der möglichst vollständigen und allseitigen Ausbildung seiner selbst das höchste Ziel der wissenschaftlichen Beschäftigung des