Franz Rühl in Königsberg.
Einzelnen sehen, so läßt sich ebenso wenig zweifeln, daß die Menschen des achtzehnten Jahrhunderts ein unbeschreiblich Größeres erreichten als wir. Banausisch, meint Erwin Rohde in seinem geistvollen Buch über den griechischen Aoman, würde den Zeitgenossen des Platon Vieles in der Thätigkeit der großen Alexandriner erschienen sein; es sragt sich, ob ein Mann wie Schiller, -wenn er heute die denkenden Köpfe von den bloßen Brotgelehrten scheiden ivollte, nicht eine Auswahl treffen würde, die von dem Urtheil der großen Masse, auch der Fachmänner, himmelweit abwiche.
Und schließlich hat sich doch auch schon Vielen, und nicht den Schlechtesten, die Frage aufgedrängt, ob nicht die Wissenschaft an sich bei dieser Jsolirung ihrer einzelnen Zweige in den Köpfen der Forscher Schaden nehmen müsse, ob das, was ihr Wachsthum im Kleinen und Einzelnen so begünstigt, nicht ihrem Fortschritt im Großen und Ganzen als Hemmung diene.
Als Schlosser seine Studien begann, war das gerade Gegentheil aller Specialisirung an der Tagesordnung. Das Sachinteresse erstreckte sich auf alle Gebiete der Natur wie der menschlichen Thätigkeit, die Studien der -Gelehrten nehmen einen Umfang an, vor dem uns heute schwindelt. Und Schlosser war selbst für damalige Begriffe ein ungewöhnlicher Polyhistor. Schon als Gymnasiast hatte er über 4000 Bände durchflogen, seine Studienzeit in Göttingen, der Stadt mit dem unermeßlichen Haufen von Büchern, über den er später zu spotten liebte, trug nicht dazu bei, ihn zu concentriren. Was wir von seiner Lectüre wie von den Vorlesungen, welche er besuchte, wissen, zeigt ein buntes Gemisch scheinbar ganz unzusammenhängender Fächer. Mathematik und schöne Literatur, Geschichte und Dogmatik, Philologie und Naturwissenschaften, das Alles zog ihn in gleicher Weise an, wurde mit bewunderungswürdiger Arbeitskraft, mau kann kaum sagen studirt, aber "verschlungen, und dieselbe allumfassende Richtung der Studien behielt Schlosser noch viele Jahre hindurch bei. Zur Theologie, für deren Studium er immatriculirt war, hatte er kein inneres Verhältnis;; sie sollte ihm, wie so vielen jungen Leuten der damaligen Zeit, die Sicherheit der äußeren Existenz gewährleisten und dabei doch den Uebergang zu einer anderen Laufbahn offen lassen. Die Consequenz des alten dogmatischen Systems zog den jungen Mann zwar an, er hat immer großen Respect davor behalten, aber er leugnete schon damals seine Basis und so konnte er die ganze Theologie nur historisch betrachten und die Beschäftigung mit ihr war zunächst nur eine Uebung des Scharfsinns. Aber ebenso wenig scheinen die berühmten Göttinger Historiker eine tiefgreifende Anziehungskraft auf ihn ausgeübt zu haben. Er ist keinem von ihnen persönlich nahe getreten, Niemand darf ihn als Schüler in Anspruch nehmen, ja man kann wohl sagen, daß er überhaupt die Mehrzahl der damaligen Göttinger Größen verachtet habe. Wenn man von Planck absieht, weiß er eigentlich nur Spittler und Schlözer zu rühmen, und die Kritik, welche er an ihnen ausübt, zeigt, daß er ganz unbeirrt von