Friedrich Christoph Schlosser.
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und äußeren Erfahrungen, die er gemacht, nahezu zur Verzweiflung an allen Idealen des Lebens geführt hatten. Im Verkehr niit den Gebrüdern Meyer, in dem kleinen Kreise, der sich um Frau Schmidt herum bildete, fand er sie wieder, oder vielmehr erst jetzt ging ihm das auf, was er das wahre Leben nennt, ein Leben in Gott und ein Leben in der Liebe, d. h. nicht im -pwc, sondern in der und der Hier zeigte sich ihm der Adel der
menschlichen Seele, an den er nicht mehr geglaubt hatte, und den er nur in der Dichtung zu finden wähnte, im äußeren Verkehr. Er gewann „neuen Muth für den Kampf mit der Gemeinheit". Freilich nicht ohne die furchtbarsten Seelenkämpfe. „Mein Herz", so erzählt er selbst, „war zerrissen und geheilt, und wenn ich unter einer kleinen Zahl schöner Seelen als Mann und als Tröster stand, so ward ich am Mehrsten getröstet und mit der Menschheit, an der ich längst verzweifelt hatte, völlig ausgesöhnt. Daß dies kein Traum war, hatte mich lange Erfahrung gelehrt, und das Wort vom Glauben, das mehrentheils nur ein Mittel schien und scheint, womit der Kecke oder Schlaue den Schwachen und Einfältigen täuscht, erschien mir seitdem als ein Trost der Seelen, denen das Wissen aus Gnaden von Gott versagt ward. Ich blickte tief in das menschliche Herz, weil ich Herzen fand, wo eine Tiefe war, ich sah nebeneinander im Leben und in der Handlung das gemeiniglich für edel und gut Geltende und das Identische, ich sah gewöhnliche Tugend und die Sentimentalität der Welt neben wahrem Seelenadel und echtem Gefühl". Der Grundzng dieser Empfindungen hat Schlosser nie verlassen. Noch 1853 schreibt er an Helene Souchay: „Meine Gedanken werden, so viel ich älter werde so viel mystischer und ich fühle mich alternd ewiger und himmlischer Liebe voll".
Dieser kleine Frankfurter Kreis war sich völlig genug in seiner Paradiesesseligkeit und sah, stolz auf den Besitz unermeßlicher geistlicher Güter, mit einem gewissen Hochmuth auf die Weltkinder herab, die von dergleichen nichts wissen. Die Berufung Schlossers nach Heidelberg brachte zunächst fast keine Veränderung hervor; es ist für seine Anschauungen bezeichnend, daß er seinen vertrauten Umgang bei Männern wie Creuzer, Sulpiz Boisserse und Daub suchte. Auch seine ersten schriftstellerischen Arbeiten, die in die Frankfurter Zeit fallen, zeigen neben einer ernsten Gelehrsamkeit zugleich die tiefen Spuren der mystischen Stimmung jener Tage und liegen ganz und gar auf dem Wege der Romantik. Der vollendetste Ausdruck von Schlossers damaliger Denkweise aber ist das herrliche Buch über Vincenz von Beauvais, das dann auch mit vollem Recht den beiden Freundinnen Schmidt und Grunelius gewidmet wurde.
Die Gefahr hat nahe gelegen, daß auch Schlosser, wie mancher seiner Frankfurter Freunde, zu einem Werkzeug politischer und kirchlicher Reaction wurde. Allein die Schule Rousseaus und Kants hat ihn davor bewahrt. Es gibt Naturen, und zu denen hat er gehört, die ein tiefgehendes religiöses Bedürfniß, den Hang zu phantastischer Mystik mit schneidender Schärfe des Verstandes vereinigen und keinen Augenblick anstehen, mit unerbittlicher Logik