- Friedrich Lhristoxh Schlosser. - 36s)
nationaler Anregung gefehlt", daß Deutschland keineswegs „für den Sohn der frisischen Erde ein imaginärer Begriff blieb", würde, wenn es dazu eines Beweises bedürfte, neben zahlreichen Aeußerungen schon der tiefe Schmerz bezeugen, den er 1813 gefühlt, daß es ihm wegen des Verlustes des einen Auges nicht möglich war, selbst zur Waffe zu greifen. Allein seine Vaterlandsliebe war eine gereiste und geläuterte, die von der Teutomanie des zweiten und dritten Jahrzehnts nicht minder weit ablag, wie von der unklaren Begeisterung des fünften, welche eine Flotte auf Nationalsubscription bauen wollte.
Das Urtheil Schlossers drängt sich dem Leser überall mit ganzer Gewalt auf, nur selten läßt er die Thatsachen selbst für sich sprechen. Er ist darum nicht eigentlich subjectiver, als andere, und es ist bei ihm weniger Gefahr vorhanden, daß er den Leser ohne Weiteres gefangen nehme. Doch treten die persönlichen Anschauungen des Verfassers in den verschiedenen Werken in sehr verschiedener Stärke hervor, selbstverständlich am Meisten in der Geschichte des achtzehnten Jahrhunderts, die er zum großen Theil mit erlebt hatte. Der Grundton ist überall ein demokratischer. Der alteinheimische Freiheitssinn seines Stammes, sein angeborener und nie ver- leugncter Stolz auf seine Persönlichkeit trugen dazu ebensoviel bei, als das Studium Rousseaus und Kants. Aristokratische Anschauungen, wie sie z. B. in seinem Frankfurter Freundeskreise vorherrschten, waren ihm gradezu unverständlich, und er konnte darin nichts sehen, als eine Verfolgung selbstsüchtiger Zwecke; vor monarchischen Gefühlen konnte der sicher sein, der als Knabe und Jüngling den scheußlichsten Mißbrauch der Fürstengewalt in der Heimath, die Folgen eines aufgeklärten Despotismus, der für seine Unterthaneu denken zu müssen glaubt, in nächster Nähe zu beobachten Gelegenheit gehabt hatte. Die Schandthaten der Großen und Mächtigen werden schonungslos aufgedeckt, der Glorienschein wird ihnen vom Haupt gerissen und ein besonderes Behagen scheint Schlosser darin zu finden, die Kunstwerke der Sophisten zu zerzausen, welche sie als Genien der Menschheit gepriesen haben. Er bekämpfte den Despotismus in jeder Gestalt, auch da, wo er von den besten Absichten ausgeht und scheinbar glänzende Resultate erzielt hat, und neben der Ruchlosigkeit der Regierenden vergißt er nicht, auch die Niederträchtigkeit der Regierten in das gebührende Licht zu setzen. Mit der populären Auffassung kommt er dabei ebenso oft in Conslict, wie mit der osficiellen. Es mag genügen, auf die Schilderung der inneren Politik Friedrichs des Großen hinzuweisen, der schon damals anfing, tabu für die Kritik zu sein. Die Revolution erscheint dann als ein furchtbares, aber wohlverdientes Strafgericht, von sentimentalem Mitleid mit den höchsten und allerhöchsten Herrschaften findet sich nicht die leiseste Spur. Ueberhaupt aber hat der Historiker keine Sympathie für das Vornehme, Höfische und Conventionelle, insbesondere ist ihn: auch der Salon verhaßt. Es ist ihm das Alles ein rein äußerliches Leben, welches das echte und innere schädigt oder gar nicht