Friedrich Lhristoxh Schlosser.
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der Beurtheilnng Marc Aurels wird man ohne die Berücksichtigung dieses Moments die größten inneren Widersprüche finden, die sich aber in Wirklichkeit zu einer vollkommenen Harmonie auflösen. Allein nicht die äußere Größe, nicht die Genialität hochbegabter und energischer Naturen erscheint ihm als der eigentlich ausschlaggebende Factor in der Geschichte und auch vor der bloßen mechanischen Masse hat er keine Achtung. Wir haben oben eine Stelle angeführt, wo er gegen den Schlözerstchen Realismus eifert; seine Geschichte des Alterthums ist, wie Boeckhs Staatshaushaltung, eine bewußte Opposition gegen die Verachtung der Griechen, weil ihrer so wenig gewesen. Er ist und bleibt ein Vertreter der Vernunft in der Geschichte: die Staatsactiouen können die Bewegungen des Geistes fördern und hemmen, aber sie werden schließlich doch durch sie bestimmt. Zugleich aber ist er derjenige, welcher die Masfenwirkung in der Geschichte, im Gegensatz zu den Anstößen, die von Einzelnen ausgehen, zuerst hervorgehoben hat. Nicht die Großen und Mächtigen bringen den Fortschritt der Welt, sondern die Kleinen und Gedrückten. Das hält er auch fest, wo ihn einmal wirkliche Begeisterung für einen Mann erfaßt, den die Compendien als Heros preisen. Alexander von Makedonien ist ihm der einzige Mann, der die Welt hätte retten und glücklich machen können, aber er fügt gleich hinzu: „wenn anders das Schicksal es je wollte, daß das Glück der Welt von Reichen und Mächtigen ausgehe". Und er fährt mit einem Gedanken fort, der wohl in nn66 das letzte Resultat seiner Geschichtsphilosophie zieht: „den Trost gibt die Geschichte den Armen, den Gedrückten und Leidenden, daß die Gottheit öfter durch das, was dem Menschen klein scheint, als durch das, was er für groß hält, Revolutionen herbeiführt. Durch einen Hirten, eines Zimmermannes Sohn, durch einen Fischer, durch verfolgte Mifsionarien heilt sie die Wunden, welche der Stolz und die Pracht der Pharaonen, die Ueppigkeit der römischen vornehmen Welt, der grausame Druck der späteren Kaiser, die Barbarei und Grausamkeit der Riesen des Nordens der Menschheit geschlagen".
Alle Vorzüge und Mängel Schlossers vereinigen sich in seiner Geschichte des achtzehnten Jahrhunderts; auf ihr beruht feine Wirkung als Volksschriftsteller. Denn das achtzehnte Jahrhundert ist, wie die deutschen Jahrbücher richtig ausgeführt haben, zugleich unsere Vergangenheit und unsere Zukunft. Die beiden Parteien, die sich unter den verschiedensten Formen und Namen in ganz Europa bekämpfen, haben dort ihre Ideale; wer auf das gebildete Publikum durch historische Betrachtung politisch einwirken will, wird wohl thun, dort anzusetzen. Den revolutionären Geist des achtzehnten Jahrhunderts aber hat Niemand schärfer erfaßt, als Schlosser, und sobald dieser Geist wieder lebendig wird, muß man zu Schlosser zurückkehren. Vielleicht ist die Stunde nahe, denn das Zeitalter der Gegenrevolution, in dem wir leben, scheint wenigstens einen theoretischen Höhepunkt so ziemlich wieder erreicht aben.