Heft 
(1880) 39
Seite
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Italienische Studien.

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göttliche Komödie wieder das erste Gedicht, das von den Idealen des echt und rein Menschlichen durchglüht ist". Neben Dante steht Giotto,der Begründer und Ahnherr jener großen Monumentalität, die der unterscheidende Grundzug der italienischen Malerei ist". Neue Ereignisse, der Sturz der Hohenstauffen, und damit der Idee des römisch-deutschen Kaiserthums, neue Staatenbildungen in Italien, das avignonesische Exil der Päpste bringen eine neue Zeit, ein neues Geschlecht hervor.Alle Ueberlieserungen, welche bis dahin bindende Kraft gehabt hatten, waren erschüttert. Der Mensch sieht sich lediglich auf sich selbst gestellt". In Petrarca und Boccaccio kam dieses stolze Selbstgefühl zuerst zum klaren Bewußtsein. Hettner rückt uns die Zeit, deren Vertreter sie sind, näher durch eine treffend durchgeführte Vergleichung mit der Sturm- und Drangperiode Deutschlands. Hier wie dort der Kampf gegen veraltete Satzungen, hier wie dort dieselbe Gesühls- phantastik und Selbstverhätschelung, hier wie dort das Anklammern an die Ideale des klassischen Alterthums.Mitten aus seinem tiefinnersten Gefühls­leben heraus ist Petrarca der begeisterte Wiedererwecker der Alterthumsstudien, der Schöpfer des Humanismus geworden".Boccaccio ist eine durchaus anders geartete Natur als Petrarca". Er tritt fürdas unveräußerliche Recht der Leidenschaft" ein, ist aber zugleichein eingreifender Begründer des Humanismus", besonders in seinen späteren Jahren. Ihm ist die Wiederaufnahme des Studiums der griechischen Sprache und Literatur zu verdanken.

Im folgenden Aussatz (desselben zweiten Abschnittes) überDie

Monumentalität der Kunst" führt Hettner aus, wie die großen Meister der Renaissancekunst dadurch, daß sie sich vom mittelalterlichen engen Handwerks - geiste befreiten und mit der vom Humanismus vermittelten klassischen Bildung erfüllten, die Kunst in ihrer wahren Größe und Weihe auffaßten Z.

Nach wie vor blieben zwar die kirchlichen Aufgaben die vorwaltenden, doch die Auffassung derselben wurde von Grund aus verändert.Die Bildner und Maler der Renaissance suchen in den Gestalten und Vorgängen der heiligen Geschichte und Sage nicht blos das Dogma, sondern ebenso sehr und noch mehr die ihm innewohnende Poesie".Auch wer mit dem Dogma zerfallen war, fühlte sich verbunden und versöhnt mit einer Kirche, in welcher so unerschöpfliche Poesie lag".Die Künstler standen auf der Höhe der Zeit, darum wurden sie deren monumentaler Ausdruck". Ja, bald überflügelten sie Wissenschaft und Dichtung nicht blos an Formenschönheit, sondern auch Gedaukentiefe. Wenn aber der Verfasser meint, daß diese Wandlung sich in der Plastik langsamer vollzog als in der Baukunst, so ist dagegen zu benierken, daß gerade die ornamentale und sigurenbildende

*) Nur möchten wir bemerken, daß eigentlich humanistische Bildung nur den ganz hervorragenden Künstlern eigen war, während die große Masse derselben den Geist des Alterthums nur ganz naiv aus dessen Kunstwerken, so wie aus den durch die Humanisten zum Allgemeingut gewordenen Kenntnissen und Anschauungen schöpfte.