Heft 
(1880) 39
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Zaus Semper in Innsbruck.

Plastik in Florenz die frühesten Erscheinungen des neuen Stiles aufzuweisen hat, und daß z. B. gerade Donatello nicht nur der erste, sondern auch einer der ausgeprägtesten Vertreter jener neuen Auffassung war, wie sie Hettner charakterisirt, und daß sein Beispiel und Vorgang in seinem Gebiet nicht nur dem ganzen Jahrhundert die Bahnen weist, sondern geradezu den Ausgangspunkt und die Grundlage der recht eigentlichen Renaissance-Tendenzen irr Sculptur und Malerei bis in ihre letzten Ausläufer bildet.

Sehr seine und neue Bemerkungen giebt sodann der Verfasser über die Um­wandlung alter christlicherCompositionsmotivein Folgedes neuen vermenschlichenden Geistes der Renaissance. Das Thema, welches hiermit der Verfasser anregt, verdiente eine systematische Durchführung, wenn auch nur in Bezug aus die hervorragendsten Compositionsmotive der christlichen Kunst. Besonders dem Filippino Lippi schreibt Verfasser verschiedene feine, neue Motive in der Dar­stellung der Madonna mit dem Kinde zu. Wenn aber Hettner in Bezug hierauf sagt:Es wäre ein psychologisches Räthsel, wie ein Künstler, dessen

Leben so leichtfertig und dessen Darstellungssormen zuweilen so unschön sind, so feinen Sinn für die Poesie der Bibel und Legende hatte, wenn nicht diese Erfindungen in Fra Filippos Jugendzeit fielen", so glaube ich, daß solche psychologische Räthsel gerade charakteristisch für viele Gestalten der Re­naissance sind. Man betrachte nur die Ruchlosigkeit einerseits, die wahre Liebe zu Kunst und Wissenschaft andererseits, die wir an so vielen Fürsten der Renaissance wahrnehmen. Auch kann ja ebensogut ein schlechter Mensch ein guter Musikant sein, wie umgekehrt.

Die höchste Monumentalität erreichte die Renaissancekunst, wie Hettner zum Schluß hervorhebt, jedoch in einer Rückkehr zur altgeheiligten Ueberlieferung, die jetzt eine künstlerische Vollendung findet, wie sie durch die ganze vorher­gehende Entwickelung der Renaissance vorbereitet und ermöglicht worden war. Raphaels Bildungsgang umfaßt nach Hettner die bedeutendsten dieser Phasen, sowie deren erhabenes Resultat.

Ein drittes Capitel des zweiten Abschnittes von Hettners Buch behandelt endlich den Kamps um Formensprache und Technik- Hettner weist auf den Kern der formellen Entwickelung der Renaissancekünstler hin, daß sie nämlich an der Antike sich wieder das Verständniß für die Natur erwarben, durch die Antike also Realisten wurden, ein Prozeß, der jedenfalls die originelle Begabung derselben darthut. Dem gleichzeitig erwachenden wissen­schaftlichen Realismus verdankte es die Kunst sodann, daß sie von Anfang an sich nicht mit äußerlicher Nachahmung der Einzelerscheinungen be­gnügte, sondern den Zusammenhang der Naturgesetze in ihren Schöpfungen zu verfolgen strebte. Das Studium der Anatomie ging Hund in Hand mit dem Studium der Perspective sowie der Darstellungsmittel, insbesondere der Farbeutechnik.

Während Hettner in der zweiten Abtheilung seiner Schrift vorzugsweise