Heft 
(1880) 39
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Italienische Studien.

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die realistischen Tendenzen der Renaissancekunst im Zusammenhang mit der allgemeinen Cultnrgeschichte darstellt, so wendet er sich im dritten Abschnitt: Die Dominicaner in der Kunstgeschichte des vierzehnten und fünfzehnten Jahrhunderts" (wie aus dem Titel ersichtlich, theilweise wieder in frühere Zeiten zurückgreifend), der entgegengesetzten, reactio- nären Strömung zu, welche mit den geschilderten Tendenzen in Kampf trat.

In einer kurzen Einleitung macht Hettner auf den Unterschied zwischen dem Mysticismus der Franziscaner, sowie dem Dogmatismus der Dominicaner aufmerksam und charakterisirt in allgemeineren Zügen den Einfluß des Letzteren auf die italienische Kunst des 14. und 15. Jahrhunderts. Im 14. Jahr­hundert seien die von ihnen inspirirten Gemälde Erfindungen gelehrter Mönche, trockene Bücherphantasien, die hauptsächlich auf die Verherrlichung der Lehren des heiligen Thomas von Aquino ausgehen. Im 15. Jahrhundert wandte sich die starre dogmatische Tendenzpredigt zwar in fromme Asketik, aber das Ziel engster Kirchlichkeit bleibe unwandelbar dasselbe.

In dem folgenden Capitel giebt nun der Verfasser zur weiteren Beleuchtung jener allgemeinen Charakteristik zunächst, mit Hilfe der herangezogenen Sätze des Thomas von Aquino, die Erklärung zweier Kunstwerke des 14. Jahrhunderts, eines Altarbildes des Traini in S. Catarina zu Pisa, sowie eines solchen des Orcagna in S. Croce zu Florenz, die sich beide aus die Verherrlichung eben jenes Meisters der Scholastik beziehen. Wenn nun auch der mäßige Kunstgenuß, den uns diese Werke gemalter Scholastik bieten, durch Entzifferung ihrer Hieroglyphik nicht erhöht wird, so gewährt uns Hettner dadurch doch einen culturgeschichtlich hochinteressanten, unmittelbaren Einblick in die geistige Werkstätte des 14. Jahrhunderts.

Von besonderem Interesse sind aber die beiden folgenden Capitel, die sich auf einige der hervorragendsten Fresken des 14. Jahrhunderts beziehen, zu deren in der That ebenso neuer und überraschender, wie nach unserer Ansicht richtiger Erklärung er ebenfalls die Lehrsätze des Thomas von Aquino zu Hilfe zieht. Die Beweisstellen, welche Hettner ilüs Feld führt, um darzuthun, daß die auf dem Frescobild der streitenden und triumphirenden Kirche in derCapella di Spagna" zu S. Croce in Florenz rechts oben befindlichen Gruppen in einen: Garten sitzender Personen, ebenso wie die tanzenden und lustwandelnden Paare im Garten, nicht, wie bisher angenommen wurde, die Weltlust, sondern im Gegentheil die Ueberwindung der Welt­lust darstellen sollen, sind so schlagend, daß von jetzt an sich schwerlich noch eine andere Auslegung behaupten kann. Hettners neue Auslegung gewinnt aber noch erhöhte Bedeutung dadurch, daß sie die Grundlage zu einer von der bisherigen ganz abweichenden Erklärung einer Gruppe auf dem großartigen, alsTriumph des Todes" allgemein bekannten Frescobilde im Camposanto zu Pisa bildet.

Auch hier sehen wir nämlich wieder den Garten mit sitzenden und lustwandelnden Figuren, die im Einzelnen so vielfache Uebereinstimmung mit

Nord rmd Süd. XIII, 39. 26 .