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Hans Semper in Innsbruck-
den Motiven der entsprechenden Gruppe in der Capella di Spagna zeigen, daß an einer Jdendität der unterliegenden, symbolischen Bedeutung beider nicht gezweifelt werden kann.
Sowohl der unbefangene Beschauer wie die Gelehrten pflegten bisher allgemein diese Gruppe als inmitten der Weltlust vom Tod überraschte Menschen auszusassen; nach Hettners unzweifelhaft richtiger Deutung illustrirt sie aber im Gegentheil den Gedanken: „Wer die Weltlust überwunden, erwartet heiter und gefaßt den Tod".
Von der Dominicanerkunst des 14. Jahrhunderts geht Hettner im 4. Capitel dieses Abschnittes zu der des 15. Jahrhunderts über und stellt als zwei stark contrastirende Vertreter derselben den frommen Dominicaner Fra Beato Angelico und den ganz ausgeprägt weltlichen Renaisfancemaler Filippino Lippi gegenüber, der nur im Auftrag der Dominikaner ein Gemälde ausführte, das sich auf deren Lehre bezieht.
„In den Bildern Uesoles spricht sich das Dominicanerthum des 15. Jahrhunderts mit derselben festen und eindringlichen Monumentalität aus, wie das Dominicanerthum des 14. Jahrhunderts an den Bildern Trainis und Orcagnas und in den Fresken der spanischen Capelle in Florenz und des Camposanto zu Pisa. Es ist nicht mehr trockne Scholastik und düsterer Fanatismus; es ist jetzt tief innige religiöse Lyrik. Aber nur die Kampfweise ist verschieden, das Ziel ist dasselbe; ein stiller Protest kindlicher Gläubigkeit gegen den rings aufwuchernden Unglauben. — Das Dominicanerthum Fiesoles ist nicht mehr ein starr dogmatisches, sondern ein fromm ästhetisches — Ueber die Fresken Filippino Lippis, die dieser im Auftrag des Cardinals Olivieri Caraffa in der Dominicanerkirche S. Maria sopra Minerva zu Rom zur Verherrlichung des Thomas von Aquin ausführte, äußert sich dagegen der Verfasser am Schluß der Besprechung in folgender Weise: „Wo ist in dieser trocknen Programmmalerei die herzgewinnende eindringliche Herzenspoesie Fiesoles? Und dies kalte scholastische Wesen wenige Schritte entfernt von Fiesoles Grabstätte! —"
Bei dieser Vergleichung der beiden Meister vom Gesichtspunkte des dargestellten Inhaltes aus scheint uns die besprochene Schöpfung Filippinos als Kunstwerk im Ganzen zu schlecht wegzukommen. — Wenn auch das dem Filippino vorgeschriebene Thema allerdings Programmmalerei verlangte, so vergißt man hier doch nahezu den scholastischen Hintergedanken, um den der Maler selbst im Einzelnen sich wenig kümmerte, und fühlt sich vielmehr reichlich für die mangelhafte „Idee" durch die verschwenderische Entfaltung der blendenden Reize filippinischer Kunst entschädigt. Was ist ihm Hekuba? Man erfreut sich an der herrlichen Architektur, an der Pracht der Ornamentik, der Leuchtkraft der Farben, den zum Theil großartig schönen Motiven der einzelnen Gestalten in ihrer reichen Gewandung, sowie besonders an der mannigfachen Charakteristik der dargestellten Portraitköpfe. Auch der symmetrische Aufbau der ganzen Composition ist sehr gelungen, und ist im Verein mit