Heft 
(1880) 39
Seite
380
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seiner hervorragendsten Kunstschöpfungen, als besonders prägnanten Cultur- äußerungen, nachzuweisen. Im ersten Capitel zeigt er zunächst, wie der durch Gemisthon Pletho bei Gelegenheit des Florentiner Concils von Neuem ins Leben gerufene Platonismus mächtig bestimmend auf das geistige und religiöse Leben Italiens und somit auch auf dessen Kunst einwirkte. Zugleich charakterisirt Hettner mit seiner Psychologischer und dialektischer Unterscheidung die verschiedenen Schattirungen, welche sich unter den an Plato anknüpfenden Systemen geltend machten. Gemisthon Pletho selbst war der Anführer einer das Christenthum verneinenden Richtung, welche insbesondere an der römischen Akademie unter Pomponius Letus Wurzel faßte. Die, obwohl von Plethon ins Leben gerufene, platonische Akademie in Florenz suchte dagegen Christenthum und platonische Philosophie in Einklang zu bringen. Sie theilte sich wiederum in zwei Hauptrichtungen, wovon die eine vorwiegend dogmatische, die andere moralphilosophische Fragen verfolgte. Während die Dogmatiker wie Christosoro Landini in der Erkenntniß Gottes die höchste Glückseligkeit suchten, führte den Moralphilosophen zufolge die Liebe zu dem ersehnten Ziele. (Wie besonders deutlich Lorenzo de Medici im Gedicht l'altoroamons ausspricht.)

Die Lebenssreudigkeit und der Schönheitssinn, den die Florentiner mit ihrem rührend emsigen Erkenntnißstreben verbanden, zeigt uns aber wieder recht lebendig, wie dieses große Zeitalter der italienischen Renaissance das Alterthum nicht blos erforschte, sondern in tiefster Sinnesverwandtschaft es frisch und begeistert wieder durchlebte".

Mehr noch als die Dogmatiker haben diese Moralphilosophen die platonisirende Denkweise in die weitesten Kreise getragen. Bald wurde sie die herrschende Zeitrichtung. Sie hatte nicht mit dem Christenthum gebrochen, aber die Enge und Strenge der mittelalterlichen Kirchlichkeit hatte sie erweitert und vermenschlicht. Die Kunst der italienischen Hochrenaissance wurzelt wesentlich in dieser Gesinnung".

Im folgenden Capitel führt uns der Verfasser zunächst in die mit Raffaels unsterblichen Fresken geschmückten Stanzen des Vaticans. Jene, von platonischer Philosophie human erweiterten, christlichen Anschauungen fanden ihren herrlichsten künstlerischen Ausdruck in den Fresken der Ltan^a ckslla Lsgnatnra.Es ist eines der denkwürdigsten Ereignisse der Papst­geschichte, daß der Freskenschmuck desjenigen Gemaches, in welchem die dem Papste persönlich vorgelegten und mit seiner Unterschrift zu versehenden Ent­scheidungen verhandelt wurden, nicht die Verherrlichung der Kirche und des Papstthums ist, sondern der großartig monumentale Ausdruck des neuen, freien Menschenideals, wie es die neue humanistische Bildung erfaßte und verwirklichte".

Von Einzelnheiten der Besprechung dieses Saales wollen wir die Er­klärung hervorheben, die Hettner, entgegen so vielen erkünstelten, christlichen Deutungen, der Tafel mit Schriftzeichen und Linien giebt, welche in der