Heft 
(1880) 39
Seite
381
Einzelbild herunterladen

Italienische Studien.

58s

Schule von Athen ein Knabe zur Seite des von Hettner eben in Folge dieser Erklärung mit Bestimmtheit als Pythagoras bezeichneten Philosophen hält. Im Unterschied von Springer beschränkt sich Hettner nicht darauf, in den Zeichen dieser Tafel blos eine Hindentung auf Arithmetik und Musik zu sehen, noch weniger begnügt er sich mit der ausschließlich musikgeschichtlichen Deutung von Emil Naumann (Zeitschrift für bildende Kunst. Bd. 14. S. 99 ff.), sondern er sieht darin vor Allem eine-Beziehung ans das philosophische System des Pythagoras.

Diese vor ihm aufgestellte Tafel ist die Darstellung der Pythagoräischen Zahlen- und Harmonielehre, die Darstellung der Pythagoräischen Grundidee, daß das All Zahl und Harmonie ist. Es ist bewunderungswürdig, mit welchem genialen Scharfsinn und zugleich mit welchem unvergleichlichen Schönheitssinn das Thema dieser Tafel die verwickelte Pythagoräische Lehre klar und faßlich zum Ausdruck bringt: die Zahl als den Urgrund und das Wesen der Dinge, die harmonischen Zahlenverhältnisse als die Gesetze ihrer Verbindungen und Wechselbeziehungen, als die Ursache ihrer Ordnung und ihres Bestandes!"

Die Begründung, welche der Verfasser seiner Ansicht durch Herbei­ziehung einschlägiger Stellen sowohl des Pythagoras und anderer griechischer Philosophen, wie auch aus der Literatur der Renaissance und der modernen Forschung unternimmt, ist ebenso eingehend als überzeugend, möge jedoch im Buche selbst nachgelesen werden, da hier doch nur Bruchstücke daraus mitgetheilt werden könnten, die geschlossene Ordnung derselben also unter­brochen werden müßte.

Auch diese Betonung der Lehre des Pythagoras in der Schule von Athen beweist nach Hettner die Durchdringung der damaligen Bildung mit der Lehre des Plato.Die Pythagoreische Harmonielehre ist die Grund­lage und Vorstufe der platonischen Jdeenlehre".-

Während wir in der Ltan^a äslla LsAimtnrn den Ausdruck freiester Renaissancebildung wahrnehmen, sehen wir bereits in der anstoßenden Ltaimn cl'lüliockorodie ausdrückliche und absichtliche Verherrlichung der Kirche".

Diese Wandlung kam nicht aus dem Innern des Künstlers, sondern aus den veränderten Richtungen und Absichten der päpstlichen Auftraggeber.

Die Ausschmückung dieser Stanza fällt in die Jahre 15121514, das lateranensische Concil in die Jahre 151217. Die Malereien dieser sowie der anstoßenden Stanzen sind unter den directen Einwirkungen der Concilbeschlüsse und der gleichzeitigen Ereignisse, auf welche sich diese bezogen, -entstanden.

Schon andere Autoren, wie insbesondere Passavant, haben im Allgemeinen darauf hingewiesen, daß die Fresken der Stanzen Anspielungen auf die Schicksale der Kirche zur Zeit ihrer Entstehung enthalten; es ist aber das Verdienst Hettners, diese zeitgeschichtliche Bedeutung der Fresken im Ein-