Heft 
(1880) 39
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kfans Semper in Innsbruck. -

zelnen durch die überraschendsten chronologischen und sachlichen Daten nach­gewiesen zu haben.

Wahrend nun die Züchtigung Heliodors, die Umkehr Attilas und die Befreiung Petri auf den Triumph der Kirche über ihre äußerem Feinde und ihre Rettung vor denselben (d. h. auf ihre Kämpfe mit Ludwig XII. und die Schlachten von Ravenna und Novara) hindeutet, so stellt dagegen die Messe von Bolsena den Sieg der Kirche über ihre inneren Feinde dar.

Die Reformation hatte ihr Haupt erhoben, zugleich fühlte die Kirche selbst das Bedürfniß einer inneren Reform. Es beginnt ein Kamps derselben sowohl gegen die laxen Sitten der Geistlichkeit, als gegen Abfall oder Unglaube, also gegen Reformation, Sectenthum, wie humanistische Freigeisterei. Die Messe von Bolsena ist der monumentale Ausdruck der beginnenden Gegenreformation.

In Bezug auf den Burgbrand in der nächsten Ltnima, äell'inesnckio äußert sich Hettner folgendermaßen:

Der Ursprung und Zweck des Bildes liegt in der achten Sitzung des lateranischen Concils vom 18. December 1513, die gegen die Ausschreitung der Materialisten gerichtet war, denen, wie Pietro Pomponazzi offen aussprach, der Glaube an das wunderthätige Eingreifen übernatürlicher Gnadenmittel nur als leerer und thörichter Wahn galt".

Das Grundmotiv, wenigstens im Sinne des Auftraggebers, Leo X., ist nicht der Brand selbst, sondern der wunderthuende Papst im Hintergrund. Wenn nun Raffael diesen möglichst perspectivisch zurückdrängte und als künstlerische Hauptsachedie Gestalten der Bedrängten und Rettenden" hervor­hebt , so handelt er eben ähnlich wie Filippino Lippi in seinen oben erwähnten Fresken der Minerva. Dem Werthe auch des Raffaelischen Frescobildes wird dadurch kein Eintrag gethan, nur darf nicht die ihm in Auftrag gegebene Idee" als Maßstab der Beurtheilung angenommen werden; die künstlerische Idee liegt vielmehr allerdings in der Dramatik des vorgesührtenhistorischen Genrebildes". Was ist ihm Hekuba?

Der Sieg Leo IX. über die Sarazenen enthalt dagegen eine unmittelbare Anspielung an die lebhaften Mahnungen des 6., 7, und 8. lateranischen Concils an Europas Fürsten, den unter Selim I. hereinbrechenden Türken entgegenzutreten.In den beiden letzten Bildern aber, deren Entstehung in die Jahre 1516 und 1517 fällt, in der Krönung Karls des Großen und im Reinigungseid Leo Illl, sehen wir die Verherrlichung der in ihren Ansprüchen immer mehr sich steigernden Kirchenpolitik, die Verherrlichung der unumschränkten Gewalt und Machtvollkommenheit des Papstthums, der unbedingten Ueberordnung der Kirche über die weltliche Macht". Sie stehen in directer Beziehung zu der am 19. December 1516 im lateranischen Concil erfolgten Verkündigung des Concordates mit Frankreich, durch welches die gallicanischen Sonderrechte aufgehoben, die französische Kirche wieder unter die unbedingte Oberherrlichkeit des Papstes zurückgeführt wurde.