Italienische Studien.
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man sieht, wohin der Zug der Zeit geht und wie äußerliche Regelrichtigkeit als höchstes Kunstideal gilt", so scheint uns Vignola, der als Zeichner für diese Akademie seine Studien der römischen Architektur machte, schon durch seine Schöpfungen ein schönes Ergebniß jenes Unternehmens geliefert zu haben. Auch Micchele Sammicheli, dessen Hettner ganz geschweige verdankt dem Studium der römischen und veronesischen Ruinen seinen Stil. Immerhin verkennt Hettner nicht ganz die großen Vorzüge der Spätrenaissancearchitektur, dagegen bricht er den Stab völlig über Malerei und Plastik aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, worin wir ihm auch nicht ganz beistimmen können, insbesondere was die Plastik betrifft. — Wenn auch auf Bildhauer wie Vincenzo Rossi, Vincenzo Danti und viele andere Affen Michelangelos Hettners Worte: „Die Form wird phrasenhaft und naturlos, der Stil wird Manier" Passen, so möchten wir dieselben doch nicht auf zahlreiche andere Bildhauer der Zeit, wie Niccolo Tribolo, Alsonso Lombardo, Pio Clementi, Begarelli re. angewendet wissen. — Ja selbst Baccio Bandinelli ist keineswegs in allen seinen Werken so manirirt und schwülstig, wie er gemeinhin wegen seines Herkules und Cacus, sowie wegen seiner Stellung zu Michelangelo verschrieen ist. Was nun aber gar Benveuuto Cellini und Giovanni da Bologna betrifft, so verdient ihre Kunst doch gewiß nicht das allzuharte Urtheil: „Pathos ohne Inhalt, theatralische empfindungslose Asfecthascherei, herausfordernde Dreistigkeit glänzenden Mächens ohne Wahrheit, ohne Natur, ohne Liniengefühl". — Es ist allerdings richtig, daß Cellini wie Gianbologna die menschliche Figur mehr decorativ verwendeten. Aber, wird man ihnen Liniengefühl absprechen können, und gab es größere Meister der architektonischen Sculptur, als sie?
Im 2. Capitel dieses Abschnittes, womit das Buch schließt, wird uns der Dichter Tasso, als das tragische Opfer der Gegenreformation, nicht des Kampfes zwischen Pflicht und Neigung, wie er nach Goethes Schauspiel in Deutschland meist aufgefaßt wird, vorgeführt. In dramatischen Zügen schildert uns der Verfasser den allseitigen und trostlosen Weg der kirchlichen Reaction, sowie er uns an der Hand der Documente die Ursachen der geistigen Zerrüttung Tassos enthüllt. — Ein Rath von jesuitischen Freunden in Rom, denen er das Manuscript seiner OernZalsinms Ildarata zur Beurtheilung vorgelegt hatte, tadelt darin die Stellen, die über Liebe und Heidenthum handeln, er weist ihre Kritik anfangs entrüstet zurück, verfällt dann in Tiefsinn, unterwirft sich freiwillig einem Jnquisitionstribunal nach dem andern, um stets als frommer Christ entlassen zu werden; er begnügt sich aber nicht damit, grübelt weiter, schließlich stellen sich die ersten Anfälle von Irrsinn ein, indem er im Zimmer der Herzogin von Ferrara einen Diener mit einem Messerstich anfällt.
„Die Tragödie Tassos war die Tragödie Italiens —"
Zum Schluß zeigt Hettner, wie die durchgeführte, vollständig zur Herrschaft in Italien gelangte kirchliche Reaction nun auch der bildenden Kunst wieder