Heft 
(1880) 39
Seite
389
Einzelbild herunterladen

Aus Heinrich Leutholds Nachlaß.

589-

selben in den Münchener Dichterlreis eingeführt, der unter den: eigenthümlichen Namen: Das Krokodil" eben damals in höchster Blüthe stand und Mitglieder zählte wie Geibel, Heyse, Hermann Lingg, Friedrich von Schack, I. Victor Scheffel u. s. f.

Die nähere Bekanntschaft mit diesen Männern und ihren Leistungen, und mehr noch der jahrelange freundschaftliche Verkehr in der gastfreundlichen Familie des fein­sinnigen und vielfach begabten Paul Heyse, zumeist aber die intimen literarischen und freundschaftlichen Beziehungen zu Emanuel Geibel wirkten mannigfach fördernd und bildend auf mich. Es ist mir bei diesem Anlaß eine angenehme Pflicht, zu erklären, daß ich während eines langjährigen ununterbrochenen Umgangs mit Geibel demselben jede Art geistiger Anregung und materieller Hilfe und die mannigfachsten Beweise von Noblesse der Gesinnung und uneigennütziger, aufopfernder und treuer Freundschaft verdanke.

Trotz der vielseitigen Anregung und Aufmunterung, die ich damals erfuhr, ent­wickelte sich gerade in dieser Zeit vielleicht durch das häufige Anhören und Beur- theilen literarischer Leistungen veranlaßt meine kritische Anlage in einer unverhältniß- mäßig raschen, der eigenen productiven Thätigkeit entschieden nachtheiligcn Weise. Es hing dies allerdings auch mit meinen Lcbensverhältnissen und meinem ganzen Bildungs­gang zusammen. Wie ich in meinen Jugend- und Studentenjahren stets genöthigt war, mit der einen Hand gewissermaßen um's Leben zu kämpfen und mir die Mittel zur Existenz und zu meiner geistigen Entwicklung durch Ertheilung von Unterricht, Büreauarbeitcn u. dgl. selbst zu erwerben, so konnte ich auch in reiferen Jahren mich gelähmt und gehemmt durch materielle Sorgen nie anhaltend und erfolgreich größeren literarischen Aufgaben zuwenden, zu deren Lösung ich Muth und Neigung hatte und mir die entsprechende Begabung zutraute. Dies gilt besonders vom Drama großen Stils. Das Gebiet der Novelle und das der sogenannten Unterhaltungsliteratur habe ich nie betreten, nicht weil ich mir keine Fähigkeit dafür zugetraut, sondern weil nach meiner Anschauung diese Gattung der Schriftstellern mit wenigen rühmlichen Aus­nahmen am meisten zum Verfall der Literatur, zum Dilettantismus und zu jener Verflachung des Geschmacks bcigctragen, welche unsere Zeit kennzeichnet und gegen die ich stets ehrlich nach Kräften gekämpft, so lange ich eine Feder führe. Dieser Anschauung entsprechend, war ich auch zu Erwerbszwecken stets vorwiegend kritisch thätig, obwohl dieses Fach in jeder Hinsicht undankbar und namentlich, was den materiellen Ertrag betrifft, viel weniger ergiebig ist, als die seichteste Unterhaltungsschriftstellerei. So lebte ich längere Zeit ausschließlich von literarischen Besprechungen, Theater-, Kunst­kritiken und dgl., und mein ganzes geistiges Streben und Arbeiten wendete sich vielleicht im Widerspruch mit meiner ursprünglichen Begabung und sicher gegen meine Neigung vorzugsweise der kritischen Richtung zu.

Daneben erregte die Gründung des National-Vereins und die politische Bewegung in Deutschland mein lebhaftes Interesse, und ich habe gleich sympathisch angczogen von der Sache selbst, wie von einzelnen leitenden Persönlichkeiten der national- gesinnten Partei in Deutschland von Anfang an bis heut mit ausdauernder Treue, Hingebung und Aufopferung gedient, nicht blos weil ich von den Bestrebungen dieser Partei allein die wünschbare politische Wiedergeburt Deutschlands erwartete, sondern weil nach meiner Ueberzcugung mit der gebührenden politischen Machtstellung Deutsch­lands auch die. Anerkennung, der Einfluß und die Weltbedeutung deutscher Cultur mit der ich mein eigenes geistiges Sein und Streben gewissermaßen verwachsen fühle für immer gesichert sind.

Als daher im Jahre 1861 das erste größere süddeutsche Organ dieser Partei, die Süddeutsche Zeitung", unter der Chef-Redaction des trefflichen, leider viel zu früh verstorbenen Carl Brater gegründet wurde, Lctheiligte ich mich an dem Unternehmen durch Beiträge und war an demselben als Redactcur des Feuilletons und Mitarbeiter am politischen Theil abwechselnd mit meinem hochbegabten, seither als vielseitiger Schrift­steller rühmlichst bekannt gewordenen Freund vr. Adolf Wilbrandt thätig. Als Brater