Heft 
(1880) 39
Seite
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390 -Jakob Baechtold in Zürich.-

durch seine bereits sehr erschütterte Gesundheit zu längeren Hcilversuchen in Kurorten veranlaßt wurde, leitete ich in seiner Abwesenheit die Redaction der täglich in einer Morgen- und Abendausgabe erscheinenden Zeitung und zeichnete das Blatt als ver­antwortlicher Chef-Rcdacteur, und als dasselbe endlich mit derZeit" verschmolzen und mit dem ursprünglichen NamenSüddeutsche Zeitung" unter der Chef-Redaction von Brater-Lammcrs in Frankfurt forterschicn, siedelte ich auf den Wunsch Braters nach Frankfurt über, behielt die Redaction des Feuilletons und arbeitete am politischen Theil unter der Rubrik des Auslandes und an der politischen Ucbersicht mit.

Im Spätherbst des Jahres 1862 traf mich ein verhängnisvoller Schlag, nämlich die Nachricht vom Tode meines in München verunglückten Halbbruders, des jüngsten, letzten und liebsten von drei Brüdern, die alle, nach einer mehr oder minder viel ver­sprechenden Jugend, einen frühen und gewissermaßen tragischen Tod fanden. Dieses Ereigniß, das mich auf's Tiefste und Schmerzlichste erschütterte, bestimmte mich zur Aufgabe meiner Stelle und mitten im Winter zu einer Fußrcise in die Schweiz, auf welcher eine heftige Erkältung den Ausbruch einer Lungenkrankheit veranlagte, zur welcher ich die Disposition schon früher entdeckte und von deren anhaltenden und immer weiter um sich greifenden Folgen ich kaum mehr eine Heilung erwarten darf.

Noch ein Mal nahm ich im Jahre 1864 trotz entschiedener ärztlicher Abmahnung die Stelle eines Redacteurs der neugcgründetenSchwäbischen Zeitung" in Stuttgart an. Die rasch gewonnene Einsicht in die liefern Ursachen, aus denen auch seither alle Versuche, in Schwaben neben demSchwäbischen Merkur" ein größeres, auf einen Leserkreis in ganz Süddeutschland berechnetes Organ der nationalgesinnten Fortschrittspartei zu gründen^ gescheitert sind, und verschiedene mit dieser Erkeuntniß zusammenhängende Verdrießlichkeiten verleideten mir diese Stellung schon früh. Dagegen wirkten während meines einjährigen Aufenthalts in Stuttgart die dortigen klimatischen Verhältnisse günstig auf meine Gesundheit, und die Bekanntschaft mit einer Reihe trefflicher Männer unter den politischen Parteigenossen sowohl, als unter den in Stuttgart lebenden Schriftstellern, namentlich die intimere Freundschaft mit Moriz Hartmann und der Verkehr mit Raabc (Corvinus), Otto Müller, Mörike, I. G. Fischer u. s. w., waren mir vielfach werthvoll und literarisch befruchtend.

Im Winter 1865 nach München zurückgekehrt, gab ich mich längere Zeit den literarischen Coterien und selbst dem politischen Leben vielleicht allzusehr abgewendet in tiefster Zurückgezogenheit der längst empfundenen und in meiner Studienzeit nur mangelhaft befriedigten Neigung nach einer gründlichen Kenntniß der Literatur der Alten hin und beschäftigte mich in besonders eingehender und erschöpfender Weise mit Aeschylos, Sophokles und Homer. Das genauere Studium dieses Letztem besonders weckte in mir einen freudigen Trieb zum Schaffen; und ich schrieb unter dem frischen Eindruck der packendsten, mir fast wörtlich im Gedächtnis; gebliebenen Stellen der Ilias" ein episches Gedicht:Penthesilea", eine Arbeit, die für mich ganz Genuß war, und die mich wie keine andere gewissermaßen in einem steten poetischen Rausch erhielt. Die Sage von dieser Amazonenkönigin ist bekanntlich von verschiedenen älteren und neuern Dichtern und Schriftstellern besonders ausführlich von Quintus von Smyrna bearbeitet worden. Ich behandelte den Stoff sehr frei und selbständig und wählte eine durchaus moderne Form mit gereimten Versen und Strophenbau, hielt mich aber, was Bilder, Local und Zeitton betrifft mit möglichstem Ausschluß der mythologischen Ausführungen rückhaltlos an Homer. Der Beifall, den einzelne Partien des Gedichts bei Kennern fanden, veranlaßte mich noch zu einer ähnlichen Schöpfung:Hannibal", in Rhapsodien. Ich hatte die Absicht, diesen beiden großem Dichtungen auch die epische Bearbeitung eines heimischen Stoffes aus der deutschen oder Schweizer-Geschichte anzureihen. Die Ungunst der Verhältnisse ließ mich nie dazu kommen.

In dem Jahre 1866 und während des französisch-deutschen Feldzugs 187071