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-Aus Heinrich Leutholds Nachlaß. —
er in lang anhaltendem Schweigen. In einem Freundesbriefe, ans dem Anfang der sechziger Jahre datirt, heißt es z. B: „Sage mir nur das Eine: wann wirst Du begraben, Leuthold? Denn daß Du todt bist, entnehme ich Deiner beredten Stummheit. Erfülle mir noch eine letzte Bitte (folgt ein Auftrag) und nachher beerdige Dich weiter!" Dann kamen plötzlich die „dithyrambischen Nächte", der halb Verschollene tauchte in feinen alten Weinstuben auf und suchte — zu vergessen. — —
Mit dem Jahre 1875 bricht die Selbstbiographie ab. Die Pasfionszeit beginnt. Zur Stärkung des zerrütteten Organismus begab sich Leuthold 1876 nach dem südlichen Tyrol, und einer der letzten Lichtpunkte seines Lebens mag die Goethe-Feier in Klausen, am 28. August, gewesen sein. Dort trug er in einem auserwählten Kreise von Gästen, darunter Steub, Weinhold, I. V. Zingerle, zur Eröffnung des Festes sein letztes Gedicht vor. Bald darauf nahte die Katastrophe, und im August des nächsten Jahres bezog er seine traurige Zelle in der Jrrenheilanstalt Burghölzli bei Zürich. Es war ein langsames Hinsiechen; die psychische Abgestumpftheit schien das Schmerzvolle der körperlichen Leiden wohlthätig zu lindern. Die mittlerweile erschienenen Gedichte nahni er erst mit Ingrimm auf, da der bekannte Stuttgarter Greis, das Verlagszeichen der Firma Cotta, aus dem Titelblatt fehlte. Nach und nach wurde ihm das Bändchen werther und er trug es, sorgfältig in Zeitungsblätter gewickelt, mit sich herum. Eine allmähliche Verblödung stellte sich ein; aber manchmal überfiel ihn das klare Bewußtsein seiner Lage, dann summte er eines jener rührenden Gedichtchen vor sich hin: und die mächtige Gestalt brach in krampfhaftem Weinen zusammen:
„Nach Westen zieht der Wind dahin,
Er säuselt lau und lind dahin:
Er folgt dem blauen Strome wohl And flieht zu meinem Kind dahin.
Bring' meinen Thränenregeu ihr Und einen Gruß geschwind dahin; —
Ach, Wolken kommen trüb daher,
Die frohen Tage sind dahin!"
Dann kam der Tod, und schon hat der menschlich rührende Ausgang seinen versöhnenden Schimmer auf dieses unglückselige Leben ergossen. Heinrich Leuthold liegt auf dem weit ausschauendenZüricher Friedhofe der Rehalp, zu deren Füßen der Heimathsee blaut. Das unbändige Herz ist zur Ruhe eingezogen; der Schatten seines Lieblingsdichrers grüßt den schicksalsverwandten Fremdling —
— „und brüderlich ist's hier unten".*)
*) Ich darf auf den Nekrolog in der Beilage zur Allg. Ztg. 1879 (Nro. 215) Hinweisen.
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