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- Aus Heinrich Leutholds Nachlaß.
Eigene Gedicht e.*)
Waldfrieden.
An einein Hellen Frühlingstag,
In einer stillen Morgenstunde Tönt mir der Lerche froher Schlag wie eine süße Liebeskunde.
Der chimmel blau, die Luft weht lind Und buhlt um's junge Laub der Birken; Der Frühling sendet sein Gesind,
Den Teppich der Natur zu wirken.
Der Schlehdorn steht in vollem Blust, von dust'gem bsarz die Föhren triefen — Und Bilder steigen aus der Brust,
Die lang darin begraben schliefen.
Süß träumt sich's in der Morgenruh von einem lenzdurchwehten chaine; . . Die Wipfel rauschen leis dazu,
Wie eine betende Gemeine.
wilde Rosen.
Gb dieses waldbach's lautem Tosen weit überhängend ragt ein Ast, chinstreuend seine duft'ge Last von ausgeblühten chagerosen.
Mir ist, vor meiner Seele stünde Die Jugendzeit, da diesem Bach Mein Leben glich, das nun gemach chinfließt durch stille Wiesengründe.
Damals war es ein wildes Schäumen; Unstät zerriß ich jedes Band. . .
Manch stilles Glück sah ich am Strand, Ach, und vermochte nicht zu säumen l
Und doch zuweilen, sehnsuchtstrunken ksinströmend ihren dust'gen ksauch,
Sind ausgeblühte Rosen auch An meine junge Brust gesunken.
Wanderlied.
Und wieder jagt mich der Reisetrieb,
Und wandern möcht ich von j)ol zu j)ol; D'rum, liebliches Rind, vielsüßes Lieb, Vielsüßes Lieb, leb' wohll
Noch ein Mal, gestützt aus den Wanderstab, Schau' ich zurück, schau ich zurück; Duftige Blüthen fallen herab Und hemmen meinen Blick.
i Nun folg' ich ohne Reiseziel l Der Vögel Flug, der Wolken Zug;
! Des Schönen hat die Welt so viel, ksat auch für mich genug.
Und trag' ich gleich im leichten Kleid Kein schimmerndes Gold, kein schimmerndes Gold,
Ist doch manch' Lserz, manch' rosige Maid Dem wandernden Burschen hold.
Und der Vögel Schlag in Busch und chag, Das waldesdunkel, der Sonnenschein, Und der klingende, singende Frühlingstag Ist Alles, ist Alles mein!
Für die zweite, im Laufe des Jahres erscheinende Auflage bestimmt. Es sei jenen, die da und dort noch Leuthold'schc Gedichte „entdecken", ausdrücklich gesagt, daß eine weitere Ausbeutung des Nachlasses weder in der Absicht des Herausgebers, noch im Interesse des Dichters liegt.