Anno Fischer in Heidelberg.
Offiziere, deren sich manche aus niederem Stande aufgeschwungen hatten und nun durch ihre Verabschiedung wieder in Dunkelheit und Elend versanken. Ein solcher Offizier war, wie man sich erzählte, vor den Feldzügen Mühlknappe gewesen und hatte sich auf dem Schlachtfelde den Orden ponr Is rnßrits verdient; er mußte nach seiner Entlassung den alten Dienst wieder aufsuchen und schickte dem Könige den Orden zurück, damit das glänzende Ding nicht bestaubt werden möge. Ein anderer war zum Schmiedehandwerk zurückgekehrt und verleugnete sich dem General, der ihn Pferde beschlagen sah und einen tapferen Rittmeister in ihm wiedererkannte. Eines der merkwürdigsten Schicksale hatte ein ungarischer Husar erlebt, der einst in der Schlacht bei Moltwitz im Begriff stand, den König gefangen zu nehmen;
Friedrich rief ihm zu: „Ich bin der König, geh' mit mir!" Der Husar
gehorchte, trat in die Dienste des Königs und brachte es in der Folge durch
seine Tüchtigkeit bis zum Reiteroberst und General. Sein Name heißt
Paul Werner. Wir sehen einen Sagenkreis vor uns, in dem einige der Motive enthalten sind, die Lessing in seiner Dichtung benützt hat. Tellheim, der Held seines Stückes, ist der verabschiedete Mafor eines Freibataillons, sein treuester Freund und Kriegskamerad ist der Wachtmeister Paul Werner. Die Mutter des Philosophen Garve wollte von Lessing selbst gehört haben, daß sich etwas Aehnliches als die Geschichte seines Stücks in dem Breslauer Gasthause zur goldenen Gans wirklich zugetragen habe.
Vergegenwärtigen wir uns den Gang der Begebenheiten oder die Fabel, die Lessing seinem Stück zu Grunde gelegt hat; galt ihm doch die Erfindung der Fabel des Dramas hier, wie überhaupt, für die wesentlichste Aufgabe des Dichters.
Tellheim, ein junger reicher Edelmann kurländischen Geschlechts, tritt unter die Fahnen Friedrichs, nicht aus Liebe zum Kriegshandwerk, dessen Unmenschlichkeiten er verabscheut, sondern aus Begeisterung für die Person und Sache des großen Königs, aus Neigung zur Gefahr, aus hochherziger, tapferer Gesinnung. Er zeichnet sich aus und wird Major. In den
sächsisch-thüringischen Winterquartieren erhält er den Befehl, von den Ständen mit aller Strenge eine hohe Kriegssteuer einzutreiben, die auf fein Bitten im äußersten Nothsall auf ein geringeres Maß, dessen Minimum ihm vorgeschrieben wird, soll herabgesetzt werden dürfen. Da die Stände unvermögend sind, eine größere Steuerlast zu tragen, gewährt ihnen Tellheim die niedrigste Forderung; da sie auch diese nicht vollständig leisten können, deckt er aus eigenen Mitteln durch einen Vorschuß von 2000 Pistolen die fehlende Summe. Bei Zeichnung des Friedens will er seine noch ausstehende Forderung unter die Kriegsschuld aufnehmen lassen. Man anerkennt die Wechsel, aber verdächtigt den Inhaber, als ob dieser sie nicht gegen baaren Vorschuß empfangen, sondern als Belohnung dafür genommen habe, daß er die Kriegssteuer auf das niedrigste Maß herabgesetzt. Er ist der Bestechung verdächtig. Die Generalkriegskasse soll die Sache genau unter-