lieber G. E. Lessing. II.
nur an zwei Dinge, die nicht vergessen werden sollen: seine Pistolen und „noch eins, — nimm mir auch deinen Pudel mit, hörst du, Just!" Der große Schauspieler Schröder erzählt von Ethos: „Es lag eine Welt
von Ausdruck in seiner Rede, wenn er als Tellheim die Worte sprach: „nimm mir auch deinen Pudel mit, hörst du, Just!"
Es fehlt in dem Bilde Tellheims, das wir in dramatischer Ausprägung empfangen sollen, bevor Minna von Barnhelm erscheint, noch ein Zug. Wir glauben dem treuen Just, daß es in der Welt keinen besseren Herrn giebt; wir empfinden mit der Wittwe Marlofs, daß niemand großmüthiger und zarter handeln kann, als Tellheim; dem Wirth gegenüber ist er stolz und kürz gebunden; auch haben wir nebenbei bemerken können, daß er für das gewöhnliche Leben sehr unpraktisch ist: er läßt seine Habseligkeiten in einen anderen Gasthof schaffen und kümmert sich weder um das Haus noch die Sachen, er denkt nur an zwei Dinge, die ihm nachträglich einfallen und für seine gegenwärtige Lage die unnützesten sind: seine Pistolen und Justs Pudel! Wir wollen mit dieser Bemerkung die Sorgen beschwichtigen, die sich wegen der Pistolen einige Erklärer gemacht haben: daß sich der Mann nur nicht erschießt! Sorgen, die eben so unnütz sind, als für Tellheim selbst in diesem Augenblick die Pistolen.
Damit uns nichts von der Kunst des motivirenden Dichters entgehe, möge auch das kleine Selbstgespräch Justs, nachdem ihn Tellheim verlassen, wohl beachtet werden. Wie hat es Lessing verstanden, hier mit ein paar Worten das Hauptmotiv, welches den Knoten des Dramas bilden soll, anzudeuten und zugleich den Fortgang der Handlung vorzubereiten. Just hat von seinem Herrn den kostbaren Ring erhalten mit dem Befehl, ihn zu verpfänden. Es muß mit dieser Kostbarkeit eine eigene Bewandtniß haben, denn Tellheim sagt: „ich hätte nie geglaubt, einen solchen Gebrauch von ihr zu machen". Nun wundert sich Just nicht blos, daß der Herr solch einen kostbaren Ring besitzt, sondern noch über einen andern Umstand: „Und trug ihn in der Tasche anstatt am Finger!" Es ist der Verlobungsring, den Tellheim nicht mehr als Zeichen der Verlobung trägt: so fest steht sein Entschluß der Entsagung! Und was thut Just mit dem Ringe, den er verpfänden soll? „Bei ihm, bei ihm selbst will ich dich versetzen, schönes Ringelchen! Ich weiß, er ärgert sich, daß du in seinem Hause nicht ganz sollst verzehrt werden!" Kann er den Schurken von Wirth nicht prügeln, so will er ihn doch ärgern. So kommt der Ring auf die natürlichste Art zu dem Gastwirth und nimmt seinen Weg in die Hand des Fräuleins, durch die er in die Hand Tellheims zurückkehren soll.
Aber der Zug in Tellheims Charakterschilderung, der uns noch fehlt! Ein solcher Herr, ein solcher Mann, sagt Just, ein solcher Offizier! Von seiner kriegerischen Tüchtigkeit, von dem heldenmütigen tapfern Major, dem Vorbilde seiner Soldaten in der Schlacht, werden wir aus seinem eigenen Munde keine Silbe hören; diesen Zug kann uns weder sein Diener noch