Issue 
(1880) 39
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Ueber G. E. Lessing. II.

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leicht in's Komische fallen können, aber durch die Erzählung in Schatten treten. In der Einbildungskraft fehen wir nur die von fassungslosem Schmerz überwältigte Minna, die jene Gabe, im besten Sinne des Wortes glücklich zu sein und zu machen, nicht besitzen würde, hätte sie nicht auch die Fähigkeit, grenzenlos unglücklich zu werden.

VII.

Wir wissen schon, wie Minna die Lage bemustert und Tellheims Ent­schlüsse, die zu schmerzlich sind, um für immer unerschütterlich zu sein, durch «ine glückliche, auf seinen Charakter berechnete List besiegt. Soll der Knoten nicht tragisch zerreißen, so muß er auf heitere Art gelöst werden. In der Gemüthsart Tellheims fehlt eine befreiende Kraft gänzlich, ohne welche das menschliche Leben in seinen Hemmungen stecken bleibt und den Druck des Schicksals nie los wird: er hat keinen Humor, er ist völlig verdüstert und in die Sackgasse seines Unglücks so verrannt, daß er die freie Gegend nicht mehr sieht, daß ihm sein gutes Gewissen nicht über die gekränkte Ehre, seine Verachtung des Geldes nicht über das Gefühl der Armuth, das Bewußtsein, auf dem Schlachtfelde verwundet zu sein, nicht über den Krüppel" hinweghilft; er ist mit seinem Unglück dergestalt zusammen- gewachsen, daß dieser höchst uneigennützige und aufopserungswillige Mann thut, was er am wenigsten thun möchte: er denkt eigentlich nur an sich und will in jener stolzen Jsolirung des Unglücks, worin jede Wohlthat abgelehnt wird, keinem die Freude gönnen, ihm zu helfen. Könnte er seinen Stolz opfern, wie sein Geld, so wäre Allen geholfen. Aber was nützt noch seine Großmuth und Freigebigkeit? Wenn sich die Anderen, für die er Alles thun möchte, ebenso spröde verhalten, wie er, so ist seine ganze Uneigen­nützigkeit umsonst. Es heißt nicht wohlthätig sein, wenn man es dem Empfänger versagt, seine Dankbarkeit durch die That zu beweisen; dann erscheint der letztere nicht als der Freund, sondern als die Creatur des Wohlthäters, was kein tüchtiges und dankbares Genrüth erträgt. Diese nothwendigen Folgen seiner Handlungsweise hat Tellheim nicht bedacht, er muß die Rückwirkung derselben erfahren: dies istdie Lection", deren er bedarf und die sicher bei ihm anschlägt. Just ist gegen den Pudel besser gewesen, als sein Herr gegen ihn sein wollte, er hat das treue Thier behalten, und Tellheim hat sich die kleine Geschichte zu Herzen genommen.

Aber die erste ernstliche Lection, die ihn erschüttert und für das Spiel der letzteren vorbereitet, soll er durch den Wachtmeister empfangen, der ver­gebens sein Geld hingeben möchte, um seinem vergötterten Major aus der Roth zu helfen.Es ziemt sich nicht, daß ich dein Schuldner bin". Ziemt sich nicht?" anwortet Werner.Wenn an einem heißen Tagenden uns die Sonne und der Feind heiß machte, Sie zu mir kamen und sagten: Werner hast du nichts zu trinken? und ich Ihnen meine Feldflasche reichte, nicht wahr, Sie nahmen und tranken? Ziemte sich das? Bei meiner armen