Kuno Fischer in Heidelberg.
Seele, wenn ein Trunk faules Wasser damals nicht oft mehr Werth war, als all der Quark! Nehmen Sie, lieber Major, bilden Sie sich ein, es ist Wasser. Auch das hat Gott für alle geschaffen". Tellheini kann nur entgegnen: „Du marterst mich, du hörst es ja, ich will dein Schuldner nicht sein?" „Ja, das ist was anderes", erwidert der Wachtmeister, „Sie wollen mein Schuldner nicht sein? Wenn sie es denn aber schon wären, Herr Major? Oder sind Sie dem Manne nichts schuldig, der einmal den Hieb auffing, der Ihnen den Kopf spalten sollte, und ein ander mal den Arm vom Rumpfe hieb, der eben losdrücken und Ihnen die Kugel durch die Brust jagen wollte? Was können Sie diesem Manne mehr schuldig werden? Oder hat es mit meinem Halse weniger zu sagen, als nnt meinem Beutel? Wenn das vornehm gedacht ist, bei meiner armen Seele, so ist es auch sehr abgeschmackt gedacht". — Was bleibt dem Major noch übrig zu sagen? Daß ihm nur die Gelegenheit gefehlt habe, für Werner dasselbe zu thun! Es ist wahr; hat ihn dieser doch hundertmal für den gemeinsten Soldaten, wenn er ins Gedränge gekommen war, sein Leben wagen sehen. Aber Werner hat für den Major, der auf seiner Weigerung beharrt, noch ein Wörtchen auf dem Herzen. „Wenn ich manchmal dachte, wie wird es mit dir auf's Alter werden? Wenn dm zu Schanden gehauen bist? Wenn du nichts mehr haben wirst? Wenn du wirst betteln gehen müssen? So dachte ich wieder: Nein, du wirst nicht betteln gehen, du wirst zum Major Tellheim gehen, der wird seinen letzten Pfennig mit dir theilen, der wird dich zu Tode füttern, bei. dem wirst du als ein ehrlicher Kerl sterben können. Das denk ich nicht mehr. Wer von mir nichts annehmen will, wenn er's bedarf und ich's habe, der will mir auch nicht's geben, wenn er's hat und ich's bedarf. Schon gut". Dieses Wort hat getroffen. Tellheim ist besiegt.. „Mensch mache mich nicht rasend! Ich verspreche dir auf meine Ehre, wenn ich kein Geld mehr habe, du sollst der Erste und Einzige sein, bei dem ich. mir etwas borgen will".
Diese unübertreffliche Scene, eine der schönsten des ganzen Stücks, bildet gleichsam die Vorschule Tellheims, die ungesuchte, zu der Lection, die ihm Minna ertheilen wird. Wenn man dem dritten Acte unseres Dramas mit Goethe den Vorwurf macht, daß hier die Handlung still zu stehen scheine, und retardirt werde, so hat man diese eben erwähnte Scene nicht genug und richtig gewürdigt: sie enthält ein fortbewegendes, die unbeugsame Sprödigkeit Tellheims brechendes Motiv. Er hat an Minna geschrieben und ihr die Beweggründe seines Entschlusses geschildert; sie will ihn selbst sprechen und sendet den Brief zurück, als ob sie ihn nicht gelesen; dazwischen fällt sein Gespräch mit dem Wachtmeister; es hat gewirkt, der Major ist schon nachgiebiger geworden, jetzt wird er auf die Einladung des Fräuleins kommen, sogar etwas geputzter, wie Franziska wünscht, in Schuhen und frisirt. „So sehen Sie mir gar zu brav, gar zu preußisch aus! Sie sehen aus, als ob>