Issue 
(1880) 39
Page
428
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Bibliographie.

Syllm Carmen. Hammerstein. Gedicht. 8.

104 S. (Als Manuscript gedruckt).

Leipzig, 1880, F. A. Brockhaus. 2Mk. Sappho. Ein Gedicht. 8. 73 S. (Als

Manuscript gedruckt). Leipzig, 1880,

F. A. Brockhaus., 2 Mk.

Unter dem romantisch angehauchten, nicht eben gefälligen Pseudonym, welches diese beiden Dichtungen als den Namen ihres Verfassers auf dem Titelblatt tragen, verbirgt sich schüchtern, die hohe poetische Begabung einer Fürstin von deutschem Stamm, deren Wiege am Rhein gestanden, deren Fürstenschloß unten an der Donau steht. Die beiden poetischen Schifflein, mit ^ denen die hohe Dame sich auf die weite, uner- ! gründliche See der Literatur hinausbegiebt, ! hätten es ruhig wagen dürfen, unter den ! Namen ihres Eigners zu segeln. Die ! anspruchsvolle Kritik hätte für die Fürstin j nicht ermuthigendere, anerkennendere Worte ; finden können, als sie für Sylva C armen ! übrig hat. Aus einer Reihe vortrefflicher, zum Theil in derGegenwart" (unter den Namen E. Wedi erschienenen) Ueber- setzungen rumänischer Poesien, war die Verfasserin eingewcihten Kreisen als form- und sprachgewandt in bester Erinnerung. Diese formale Begabung macht sich auch in den jetzt vorliegenden beiden Bändchen ! und in wenigerunvcrkennbarer Weise geltend. ! Der fünffüßige Daktylus inSappho" ! ist mit überraschender Sicherheit gehand- ! habt; in breitem ungehindertem Fluß ! gleiten die Verse hin, nirgends wird der Sprache Gewalt angethan um des Verses willen; nur selten begegnet man was nrangereimte Prosa" nennt. Zu diesen Vorzügen der Form gesellt sich ein größeren Vorzug: der echter unverfälschter poetischer Empfindung, die sich für ihren Ausdruck oft sinniger, farbenreicher Bilder und anmuthiger, niemals auf der Ober­fläche aufgelesener Gedanken bedient. In ! Sappho" werden die Schicksale der be- ^

rühmtesten griechischen Dichterin in neuer Weise dichterisch zusammcngefaßt, durchaus abweichend von den bisherigen Formen der Behandlung des gleichen Stoffes. Leider gestatten es die Aufgaben der Monats­schrift nicht, dem Gedankcngange der Dichtung bis in's Einzelne nachzugehen. Das Scheidelied Sapphos möge hier eine Stelle finden:

Leise erreichte und ungesehen den Fels sic, Der aus dem Meere emporsticg, tiefer als Memnons

Haus; dort erhob sic die Stimme, als wolle sie ihm noch

Geistcrgleich Grüße empor in die Einsam­keit senden,

Sang sie erst leise; dann klang's wie gewaltiges, fernes

Brausen der brechenden Brandung; dann sank es verhallend:

Weine nicht, weil dich die Götter gesendet, Weil sich mein Schicksal, mein Leben vollendet.

Was man besingen kann, durfte ich sagen, Was man ertragen kann, Hab' ich getragen, Danke den Göttern: ich habe geendet!

Weine nicht! Staub ist das Leben und Kleinheit,

Laß mich vergehn in der ewigen Einheit, Alles, was mein war, das hat mich ver­lassen,

Laß mich das Ganze im Fluge erfassen, Daß ich cs schaue in leuchtender Reinheit!

Weine nicht! Singst Du dereinst meine Lieder,

Weht Dir mein Geist durch die Ewigkeit wieder.

Dein will ich bleiben, in schwingenden Tönen,

Nun bin ich müde will ruh'n, in der schonen

Lockenden Meerfluth leg' ich mich nieder!

!