andere Weise- vielleicht durch besonders schroffes Auftreten- eindeutig als Junge präsentieren wollen wird. Unterstützung finden solche Prozesse durch den offiziellen Unterricht, wo über Lehrmaterialien und Interaktionen tagtäglich gesellschaftliche Vorstellungen von"Weiblichkeit" und"Männlichkeit" aktiv reproduziert und legitimiert werden. Lehrerinnen und Lehrern kommt hier eine entscheidende Rolle zu.
Die Kategorie„Geschlecht“ in der Lehramtsausbildung
Die kulturelle und erziehungswissenschaftliche Bedeutung der analytischen Kategorie„Geschlecht“ besteht nicht nur im Sichtbarmachen der Tatsache, daß die Geschlechtszugehörigkeit eigene soziale Wirklichkeiten konstituiert und strukturiert, sondern vor allem in dem Anspruch, zur Veränderung gesellschaftlicher Strukturen beizutragen, die eine wirkliche Gleichberechtigung der Geschlechter ver- bzw. behindern. Schule und Hochschule könnten zu einem Korrektiv patriarchaler Sozialisierungsmechanismen werden, wenn sie sich nicht nur vereinzelt und sporadisch der mit dieser sozialen Struktur- und Analysekategorie umrissenen Realität des Lebens in einem“kulturellen System der Zweigeschlechtlichkeit’ zuwenden würden. Lehrerinnen und Lehrer sollten vertraut sein mit theoretischen Ansätzen und der diskursiven Auseinandersetzung um die Koedukation‘ und den Ergebnissen feministischer Schulforschung.
Im Zentrum der Bemühungen von Forschungsvorhaben, Modellversuchen und Projekten zur Verbesserung der koedukativen Praxis“ steht in den letzten Jahren das verstärkte Bemühen, Mädchen und Jungen bei der Entwicklung ihrer eigenen geschlechtlichen Identität’ zu begleiten. Vorurteile und verfestigte Geschlechtstereotype* behindern und hemmen dabei ebenso wie Macht- und Herrschaftsstrukturen ihre freie Entwicklung.
Die Normalität und für viele auch die„Banalıtät‘“, die in der Tatsache der Existenz von zwei Geschlechtern zu liegen scheint, behindert und begrenzt jedoch nach wie vor die kritische Auseinandersetzung in Theorie und Praxis. Ohne das Aufdecken hierarchischer Bedingungen und geschlechtsstereotyper Zwänge und ohne die Entwicklung qualitativer Differenzen bei der Verwirklichung von Gleichheit werden Schule und Hochschule die gesellschaftlich organisierte Ungleichheit zwischen den Geschlechtern immer wieder reproduzieren, anstatt sie zu überwinden.
' Vgl. dazu die Ergebnisse der von der GEW initiierten„Neuen Koedukationsdebatte“. In: GEWReader„Koedukation“, 2. Auflage, Frankfurt am Main 1995.
? In diesem Zusammenhang verweisen wir u.a. auf die Themenhefte zur Koedukation: PÄD. EXTRA 9/1991, Bildung und Erziehung 1/1992, Pädagogische Welt 1/1994, Pädagogik 9/1994.
* Sehr früh, gleich nach der Geburt, erfährt jeder Mensch- durch die komplexe Realität der gesellschaftlichen Geschlechterverhältnisse und vor allem durch ein„heimliches‘“ verbales und nonverbales Regelsystem der Geschlechterinteraktionen-, daß„jedermann auf der Welt ein Junge oder ein Mädchen“ ist(Kohlberg 1974, S.295).
* Grabrucker(1985) und Scheu(1978) haben in ihren Berichten sehr eindrucksvoll die geschlechts“typische“ Prägung der Kinder in den ersten drei Lebensjahren geschildert.
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