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Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern für die Grundschule : Erfahrungen - Ergebnisse - Probleme / [Universität Potsdam. Hrsg.: Direktorium des Instituts für Grundschulpädagogik]. Tassilo Knauf ...
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Jutta Hartmann Marlies Hempel

Geschlechterkonstruktionen- Geschlechterrealitäten Beobachtungen und Erkenntnisse für die Lehramtsausbildung

Schule reproduziert gesellschaftliche Machtverhältnissse und trägt letztlich dazu bei, daß Frauen immer noch...tendenziell als Andere, Mindere, Benachteiligte gesellschaftlich verortet werden müssen...(Dölling 1995, S.20). Auch Schule sank­tioniert Abweichungen von derNorm und attribuiert immer wieder traditionelle, längst überholt geglaubtetypische Einstellungen und Verhaltensweisen von den Geschlechtern und behindert so auch den Individualisierungsanspruch jedes Kindes. Um die angedeuteten geschlechtshierarchisierenden Prozesse zu hinterfragen, um neue Handlungsalternativen zu entwickeln, ist eine bewußte Auseinandersetzung mit den vorfindlichen Geschlechterverhältnissen an den Schulen und in der Gesellschaft notwendig. Ein wesentlicher Ansatzpunkt für Veränderungen im Schulalltag kann daher in der Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer gesehen werden.

Geschlechterverhältnisse an den Schulen

"Hihi, Du siehst ja aus wie ein Mädchen!" wird der sechsjährige Jonas ausgelacht. Für einen Jungen hat er zu lange Haare, so die Klassenkameraden.

"Ih, ihr seid ja lesbisch!" betitelt ein Mädchen der sechsten Klasse zwei Mädchen, die eng umschlungen über den Pausenhof gehen. Sie geht davon aus, daß man als Mädchen nur mit einem Freund kuschelt.

Permanent werden im Schulalltag Vorstellungen von Mädchen-Sein und Junge-Sein, von"Weiblichkeiten" und"Männlichkeiten"(Bilden 1991) durch die Schülerinnen und Schüler selbst hergestellt, weitergereicht und Abweichungen davon sanktioniert. Jungen produzieren sich alsMini-Macker und die Mädchen werden entweder Opfer oder ignoriert(vgl. Knauf 1991). Die abwertend eingesetzten Geschlechter­kategorisierungen verweisen dabei häufig auf gesellschaftlich erwartete und nach Geschlecht eingeschränkte Attribute und Verhaltensweisen. Die in unserer Gesell­schaft als selbstverständlich vorausgesetzte"Zweigeschlechtlichkeit(Hageman­White 1984) wird mit all ihren Implikationen- z.B. Macht- und Bewertungshierar­chien zwischen Männern und Frauen und die gesellschaftliche Norm"Hetero­sexualität"(Rich 1989)- ın der Schule innerhalb vielfältiger Interaktionsprozesse eingeübt, dabei modifiziert und/oder verfestigt. Es ist zu vermuten, daß der oben erwähnte Junge entweder bald selbst kurze Haare haben möchte oder sich auf eine

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