Druckschrift 
"Kontinuität und Wandel der deutschen Führungsschicht : Ergebnisse der Potsdamer Elitestudie 1995" ; Zusammenstellung der Vorträge des Symposions vom 11. Oktober 1996 an der Universität Potsdam / Primärforscher: Wilhelm Bürklin
Entstehung
Seite
28
Einzelbild herunterladen

28

Kriterien bevormundeten, politisch untergeordneten Fachsektoren, in denen man sich noch am ehesten aufgrund fachlicher Qualifikation und nicht vorrangig aufgrund ideologischer Linientreue etablieren konnte. Es handelte sich somit um die typischen Positionssektoren der ideologieneutral qualifizierten Intelligenz. Dabei bilden die Humandienstleistungssektoren den bevorzugten berufsstruktureiten Einzugsbereichneuer sozialer Bewegungen. Dies spricht dafür, daß die in den HDL-Sektoren etablierte Intelligenz den sozialstrukturellen Kern der Demokratiebewegung und damit im sozialistischen Kontext eineinstitutionalisierte Gegenelite(Ludz 1968) bildete. Ein zusätzliches Kriterium institutioneller Strukturierung dieses alternativen Elitenreservoirs war seine relativ eindeutige Plazierung in der Positionshierarchie der DDR-Gesellschaft, wie der nächste Unterabschnitt zeigt.

Hierarchische Rekrutierung: Verlagerung zur professionellen und subelitären Intelligenz

In modernen Gesellschaften mit standardisierten Karrierestrukturen sind die Aufstiegschancen in die Elite entlang der Positionshierarchie in Organisationen und Einrichtungen von oben nach unten abgestuft. Träfe die Reproduktionsthese zu, dürfte sich daran mit einem Regimewechsel nichts wesentliches ändern. Das heißt, die Zusammensetzung der Ostelite müßte in ihrer Stärke hinsichtlich der in der DDR erreichten Positionshöhe die ReihenfolgeElite- obere Subelite- untere Subelite- Professionen- Subprofessionen- nicht Erwerbstätige aufweisen.

Aus Abbildung 3 ist zu erkennen, daß auch diese Vorstellung nicht mit den Daten in Einklang steht. Am stärksten sind nämlich DDR-Professionen knapp gefolgt von der unteren Subelite der DDR in der heutigen Ostelite repräsentiert. Beide zusammen bilden fast zwei Drittel der Ostelite, wobei sowohl nach oben als auch nach unten ein quantitativer Sprung zu erkennen ist. Der Sprung nach oben(zur oberen Subelite und Elite) verleiht der Tatsache Ausdruck, daß ehemalige Spitzenvertreter von DDR­Einrichtungen, selbst wenn dies nur auf Kreis- oder Ortsebene der Fall war, mit dem Regimewechsel weitgehend diskreditiert wurden. Der Sprung nach unten(zu den Subprofessionen) verdeutlicht, daß Qualifikation und Professionalisierung auch nach einem Regimewechsel ihre Bedeutung als Aufstiegsfilter bewahren beziehungsweise sogar steigern. Insgesamt ist jedenfalls eine Verlagerung zur professionellen und unteren subelitären Intelligenz zu verzeichnen. Insofern ist die hierarchische Rekrutierung sehr viel mehr durch transformatorische als durch reproduktive Tendenzen gekennzeichnet.

Politische Rekrutierung: Verlagerung zur parteipolitisch marginalisierten Intelligenz

Bezogen auf die politische Rekrutierung müßte sich die Ostelite der Reproduktionsthese zufolge zum weit überwiegenden Teil aus ehemaligen SED-Mitgliedern, gefolgt von Blockparteimitgliedern zusammensetzen. Ehemals Oppositionelle oder Ungebundene, die weder in der Opposition noch Parteimitglied waren, sollten dagegen in der deutlichen Minderheit sein.

Die Daten in Tabelle 1 können diese Erwartungen nicht bestätigen, denn mit zusammen 55 Prozent bilden_Oppositionelle.. und. Ungebundene_die_Mehrheit_in_der_Ostelite. Damit_hat_ sich die_elitäre Rekrutierungsbasis_auf politische Gruppen verlagert, die zu DDR-Zeiten keine Chance hatten, in die

Elite_aufzusteigen...- Indes ist"es keine vollständige Verlagerung, da SED-Mitglieder und

Blockparteimitglieder_mit_zusammen.. 45. Prozent. immer. noch Sstärk und im._Verhältnis_zu_ihren

SS a

ehemaligen Bevölkerungsanteilen sogar überdurchschnittlich vertreten sind. Insofern treffen wir hier

eine Hybridkonfiguration aus Reproduktion und Transformation mit allerdings dominant transformatorischen Elementen an.

Deutlicher treten die transformatorischen Elemente bei Betrachtung der Höhe von Parteifunktionen in Abbildung 4 hervor. Die Verteilung der Ostelite über die einzelnen Hierarchiestufen stellt sich geradewegs umgekehrt zu den Erwartungen der Reproduktionsthese..dar... Besonders auffällig ist dabei der quantitative Sprung zwischen NichtMitgliedern und Parteimitgliedern ohne Amt einerseits zu den amtstragenden Parteimitgliedern andererseits. Letztere haben ihre komparativen

Karrierevorteile mit dem Regimewechsel offenkundig eingebüßt.