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"Kontinuität und Wandel der deutschen Führungsschicht : Ergebnisse der Potsdamer Elitestudie 1995" ; Zusammenstellung der Vorträge des Symposions vom 11. Oktober 1996 an der Universität Potsdam / Primärforscher: Wilhelm Bürklin
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Prozent der Protestgeneration ist bereit, bei Gefährdung der öffentlichen Ordnung das Streik- und Demonstrationsrecht einzuschränken. Die Vorstellung, daß Demokratie auf Dauer nur möglich sei, wenn sich eine starke Führung über alle Gruppeninteressen hinwegsetzt, teilen 14 gegenüber 48 Prozent der Vorkriegsgeneration, und dem Ziel der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung in diesem Land räumen 9 vs. 43 Prozent der Vorkriegselite Priorität ein.

Die bezeichneten Generationsunterschiede gewinnen besondere Bedeutung dadurch, daß sie keine singulären Beobachtungen darstellen, sondern sich auch empirisch zu zwei verschiedenen Demokratievorstellungen verdichten: Hier das traditionelle Konzept der repräsentativen Demokratie, mit dem eine Präferenz für politische Stabilität, die Begrenzung unkonventioneller Beteiligungsformen zugunsten der öffentlichen Ordnung und das Konzept der politischen Führung steht. Dort das plebiszitär-partizipatorische Modell, das mit den Themen der Neuen Politik und der Forderung verbunden ist, den Beteiligungsrechten des Individuums in allen gesellschaftlichen Bereichen höchste Priorität einzuräumen(Schaubild 2). Letzteres Demokratiekonzept spitzt die anthropozentrische Staatsvorstellung des Grundgesetzes zu, indem es selbst die dem Rechts- und Parteiensstaat inhärenten Grenzen individueller Selbstbestimmung ablehnt(vgl. zu dieser Diskussion Bürklin/Klein/Ruß 1996).

Der Bedeutungsraum zwischen beiden demokratietheoretischen Konzeptionen wird von den politischen Generationstypen in charakteristischer Weise aufgespannt: Die Protestgeneration unterstützt das plebiszitär-partizipatorische, die Vorkriegsgenerationen dagegen das repräsentative Demokratiemodell(eta=.32, bzw..38 für alle Alterskategorien). Diese Ergebnisse sprechen für den erfolgreichen Marsch durch die Institutionen, da die Protestgeneration ihre plebiszitären Vorstellungen auch noch nach dem Aufstieg in die Führungsschicht beibehalten zu haben scheint.

3. Alternative Erklärungen: Sektorzugehörigkeit, Amtsdauer und

Positionshöhe.

Die vorliegenden Ergebnisse der Eliteforschung sprechen gegen diese Vermutung. Gegen die Gültigkeit der Generationsthese spricht vor allem der wiederholt belegte Tatsache, daß die sektorspezifische Sozialisation von Eliten alle anderen Prägungen überlagert

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Andererseits steht die Generationsthese zur Erklärung demokratischer Einstellungen in der Führungsschicht im Widerspruch zu dem gut bestätigten Ergebnis der Eliteforschung, daß die sektorspezifische Sozialisation von Eliten alle anderen Prägungen überlagert(Schleth 1971, Hoffmann-Lange 1992). In dieser Perspektive verlieren frühere Prägungen, wie z.B. die soziale Herkunft oder die Generationszugehörigkeit, in dem Maße an Bedeutung, wie ein Mitglied der Führungsschicht die Rolle eines sektoralen Interessenvertreters übernimmt. Als Indikatoren für die